Mount Maroon
der Verfassung des Staates Rhode Island erstmals in der Geschichte die Trennung von Kirche und Staat proklamierte. Aber auch das war nicht Thema, wenngleich Peter fand, dass Mr. Dick gut hierhin passte. Nachdem sich der Physiker von den anderen verabschiedet hatte, schritten sie geradewegs in Richtung des großen Personalparkplatzes. Mr. Dick legte Peter seinen Arm auf die Schulter.
- „Ich habe einige interessante Neuigkeiten. Aber lassen Sie uns das nach dem Essen besprechen. Miriam, meine Frau, freut sich, Sie kennen zu lernen. Sie ist eine passionierte Köchin …“
Er strich mit der flachen Hand über den gewölbten Bauch.
- „Wenngleich …“, Mr. Dick machte eine wegwerfende Handbewegung: „… ach, egal. Übrigens unterrichtet sie auch hier, am Frankreichzentrum.“
Mr. Dick führte Peter durch die bereits lichten Reihen der geparkten Autos und bog schließlich nach links. Dort stand nur noch ein einziger Wagen, ein grüner Lincoln Continental Mark V Diamond, Baujahr `79, mit weißem Verdeck. Peter war geschockt. Es war exakt der Typ, in dem sie in jener Nacht gefahren waren.
- „Das ist Ihr Wagen? Er hat nicht zufällig einen eingebauten Kühlschrank, oder?“
Mr. Dick war irritiert.
- „Oh, wir haben zu Hause einen und ich bin sicher, er ist bestens präpariert, hehehe.“
Peter erklärte den Hintergrund seiner Frage und Mr. Dick wurde für einen Moment sehr nachdenklich, dann öffnete er zuerst die Beifahrertür.
- „Keine Zentralverriegelung, war damals noch eine Sonderausstattung. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass Neuwagen auf der Beifahrerseite gar kein eigenes Schloss mehr haben? Wenn nun die Elektronik der Zentralverriegelung versagt, sehen Sie als Kavalier ziemlich alt aus. Sie können die Beifahrertür dann nur noch von innen her öffnen.“
Mr. Dick ging um den Wagen herum, redete aber unablässig weiter.
- „Während die Dame also noch in der Kälte steht, zwängen Sie sich in den Wagen und strecken sich dann in einer aberwitzigen Verrenkung dem Verriegelungsknopf entgegen. Das ist doch extrem unästhetisch.“
Peter deutete auf den Kindersitz auf der Rückbank.
- „Sie haben Kinder?“
- „Oh ja, fünf Stück, aber die fahren alle schon selbst. Das da ist der Platz meiner Enkelin.“
Mr. Dick fuhr langsam durch das Unigelände. Von überall her winkten Leute, nahezu jeder schien ihn zu kennen und nach Gestik und Mimik zu urteilen, auch zu mögen. Ein dunkelbrauner Ford folgte ihnen.
- „Sie sprachen von interessanten Neuigkeiten?“
- „Sie sind gespannt. Das verstehe ich. Ich dachte nur, Sie sollten vielleicht besser etwas im Magen haben, bevor …“
- „Ich bin wirklich sehr gespannt.“
Mr. Dick fuhr vorausschauend, defensiv. Immer wieder ließ er andere Fahrer einfädeln, gewährte ihnen den Vorrang. Das Auto passte zu ihm, es war nicht gemacht für einen quirligen Fahrer, für abruptes Bremsen und Anfahren, für knappe Sprünge in enge Lücken oder optimistische Überholmanöver. Trotz des hohen Verkehrsaufkommens der Rushhour verlief die Fahrt angenehm unspektakulär.
Mr. Dick sprach in ruhigem Tonfall über die Geschichte der Atomforschung im Allgemeinen und jener des Mount Maroon Laboratory im Speziellen. Ihm schien klar zu sein, dass Peter die Fakten weitestgehend aus seinen eigenen Nachforschungen kannte, aber er brauchte sie als Einleitung. Die Philadelphia-Experimente fanden allerdings keine Berücksichtigung, weder in Mr. Dicks Ausführungen noch in Peters Gehirn.
- „Man könnte die Atomforschung, wie sie im Mount Maroon Laboratory angelegt war, als erste zivile Aktivität auf diesem Gebiet betrachten. Alles, was zuvor stattfand, war militärisch motiviert. Nehmen sie das Manhattan-Projekt. Alle in diesem Rahmen unternommenen Aktivitäten der USA während des zweiten Weltkrieges hatten nur das Ziel, eine Atombombe zu entwickeln. Das Los Alamos National Laboratory wurde ausschließlich zu diesem Zweck aufgebaut. Aber nicht nur in Amerika arbeitete man an der militärischen Einsatzfähigkeit der Atomkraft. In Deutschland war sogar Heisenberg, immerhin ein Nobelpreisträger, daran beteiligt, in der Sowjetunion Igor Kurtschatow. Es war ein Wettlauf mit unabsehbaren Folgen für die gesamte Weltbevölkerung. Erst nach dem Krieg erforschte man nach und nach alternative Einsatzmöglichkeiten, wie Energiegewinnung, medizinische Diagnose und Therapieverfahren, auch Methoden der Schadensanalyse an Rohrleitungen oder der Herstellung von
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