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Mozarts letzte Arie

Mozarts letzte Arie

Titel: Mozarts letzte Arie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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damit diese dann die Essensgäste ihrer Ehemänner unterhalten konnten. Er wollte uns an die Öffentlichkeit bringen.»
    «Er hat sie also entsprechend ausgebildet?»
    «Es liegt mir schließlich im Blut. Mein Vater war Kantor an der St. Peter-Kirche in Brünn.» Sie berührte mit dem Daumennagel die Lippe. «Aber Franz war es nicht wichtig, dass ich auftrete.»
    «Und trotzdem wollte er, dass Sie ein gutes Klavier und Unterricht bei einem großen Komponisten haben.»
    «Aber nur, damit ich bei Soireen hier in unserem Haus spielen konnte. Franz hat Wolfgang nicht ausgewählt, weil ein berühmter Lehrer gesellschaftliches Renommee bedeutet. Er hat den Unterricht durch Ihren Bruder arrangiert, weil bereits vorher eine – eine Verbindung zwischen ihnen bestand.»
    Die Freimaurer, schon wieder, dachte ich. «Welcher Art?»
    Der Fächer schob sich wieder vor ihr Kinn, und ihre Augen blickten misstrauisch. «Sie pflegten Geschäftsbeziehungen. Franz hat Wolfgang Geld geliehen.»
    Ich dachte an Constanzes Bemerkung über die Finanzprobleme meines Bruders. «Einen Kredit? Wofür?»
    «Für eine Reise nach Berlin, die Wolfgang unternommenhat. Etwa vor zwei Jahren. Es sollte eine Position für ihn am Hof des Preußischen Königs geben, aber er kehrte enttäuscht zurück.»
    Enttäuscht und verschuldet, dachte ich. «Ich glaube, meine Schwägerin hat im vergangenen Sommer Wolfgangs Finanzen neu geordnet. Hat er dann seine Schulden an Franz zurückgezahlt?»
    «Ich glaube nicht.» Magdalena verbarg ihre Augen hinter dem Fächer und schluchzte. Sie bebte am ganzen Körper, wodurch sich die Narben hoben und strafften. «Es ist so furchtbar, Madame.»
    Zwar errötete ich bei dem Gedanken, stellte mir jedoch vor, wie Wolfgang mit dieser süßen Frau allein in Wien gewesen war, während seine schwangere Frau auf ihrem kranken Fuß durch die heißen Quellen Badens humpelte. Es schien mir durchaus denkbar, dass der Lehrer sich an seiner Schülerin versündigt und der betrogene Ehemann sich im Gegenzug gerächt hatte.
    «Warum hat …»
    Die Tür wurde geöffnet. Magdalenas Dienstmädchen brachte uns Becher mit heißem Rotwein. Ich sog den Duft nach Zimt und Gewürznelken ein und lauschte den schlurfenden Schritten des Mädchens, das in die Küche zurückging. Bevor ich wieder redete, nippte ich am Glühwein, fand es aber immer noch schwierig, meine Frage vorzubringen.
    «Warum hat Ihr Mann – aus welchem Grund hat er Sie verletzt?»
    «Muss ein Mann Gründe haben, seine Frau zu verletzen?» Aus Magdalenas Augen sprach Bitterkeit.
    «Was hat ihn getrieben?»
    Sie ließ den Fächer zuschnappen. Verglichen mit den parallel verlaufenden Schnitten, die ich nun auf ihrem Hals sehen konnte, waren die Wunden um ihre Augen und auf der Stirnlediglich Kratzer. Die Schnitte waren so tief, dass man sie hatte nähen müssen. Sie strich mit dem Finger über die harten schwarzen Stiche.
    Ich zuckte zusammen.
    «Er hat nicht versucht, mich zu
verletzen.
Er wollte mich umbringen.» Ihre Tränen ließen die Narben auf ihrem Gesicht feucht und hell werden, als ob sie wieder bluteten. «Franz dachte, er hätte mir die Kehle durchschnitten und dass ich sterben würde. Erst dann hat er sich das Gleiche angetan. Ich sah, wie er sich bereit machte und den Kragen öffnete. Hass in den Augen, die mir so liebevoll vertraut waren. Als verachtete er mich mehr als jede andere Kreatur auf der Welt. Dann schnitt er sich mit dem Rasiermesser die Kehle durch, und ich sah, dass er sich selbst am meisten hasste und dann erst mich.»
    Widerwillig kam ich auf die Vorstellung zurück, Franz Hofdemel als betrogenen Ehemann zu sehen. Was für einen anderen Grund hätte er sonst für ein derartiges Massaker haben können?
    «Ich flehte Franz an, betete um sein Seelenheil», sagte sie. «Ich sagte ihm, dass er in die Hölle kommen würde. Nicht, weil ich ihn strafen wollte, verstehen Sie? Ich fürchtete lediglich um die unsterbliche Seele des Mannes, den ich liebte.»
    «Selbst als er sie ermorden wollte?»
    «Selbst dann.»
    «Hat er sich nicht vor der Hölle gefürchtet?»
    «Er sagte, die Hölle sei voll solcher Dummheiten, wie er sie begangen hätte, bevor er weise geworden sei, und weder ich noch Satan könnten ihn dazu bringen, noch einmal so zu leben.» Magdalena krümmte sich vornüber.
    Ich berührte sie am Handgelenk. Es war knochenhart, als hätte sie ihre Haut zu solch einer Festigkeit gezwungen, dass sie nie wieder zerschnitten werden könnte.
    «Ich fühle mich

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