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Mozarts letzte Arie

Mozarts letzte Arie

Titel: Mozarts letzte Arie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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Adliger, um genau zu sein, wie ich am Wappen auf seiner Kutsche sehen konnte», sagte ich. «Sie haben mit ihm gesprochen, als er abfuhr. Ich glaube, er fuhr zur Hofburg.»
    Stadler hustete. Seine Reserviertheit war offensichtlich. «Der Baron van Swieten», flüsterte er.
    Seit Wolfgangs Ankunft in Wien vor zehn Jahren war Swieten der größte Gönner meines Bruders in der Hofburg gewesen. Er hatte mir oft über ihn geschrieben. «Erzählen Sie mir etwas über den Baron.»
    «Was gibt es da zu erzählen? Er wurde in Holland geboren. Er kam als Junge hierher, als sein Vater als Arzt in den Dienst der letzten Kaiserin berufen wurde. Er steht dem Kaiser nah.»
    «Werde ich ihn heute Abend kennenlernen? Beim Konzert?»
    Stadler klopfte mit den Handknöcheln aufs Clavichord. Ich spürte, dass er sich nach alledem wünschte, eine andere Solistin ausgewählt zu haben. «Es dürfte schwierig sein, ihm nicht zu begegnen. Er verlangt …»
    «Aufmerksamkeit?»
    Er zuckte mit den Schultern.
    «Liebe?», fragte ich.
    Stadler sah mich neugierig an. «Respekt. Er verlangt Respekt.»
    Ich erinnerte mich, wie der Blick des Barons mich auf dem Platz gestreift hatte, an den Moment, in dem ich glaubte, dass er mich ansprechen würde.
    «Hat er mich erkannt?» In meiner Stimme klang unziemlicheNeugier mit. Stadler rieb sich die Nase. Vielleicht hatte er es bemerkt.
    «Der Baron hat mich gefragt, ob die Person, die er gesehen hat, Wolfgangs Schwester sein könne. Ich sagte ihm, dass Sie es sind.»
    Er stand auf. «Vielleicht möchten Sie etwas trinken, Madame? Die Luft ist kalt, aber nach Ihrer Anstrengung am Klavier benötigen Sie vielleicht eine Stärkung.» Er bemühte sich um Jovialität und Freundlichkeit. Doch das Unbehagen in seiner Stimme klang wie eine verstimmte Saite, jener Ton, den man unter allen anderen heraushört.
    «Sehr freundlich, danke, ja.»
    Er entschuldigte sich erleichtert und ging durch die Wohnung zur Speisekammer.
    Ich schlenderte durch den Raum zu Stadlers Schreibtisch. Notenblätter in der Handschrift meines Bruders lagen auf der schrägen Platte verstreut. Ein Konzert für Klarinette und Orchester in A-Dur. Signiert und datiert hatte Wolfgang das Manuskript erst vor einigen Monaten. Es musste sich also um eine seiner letzten Kompositionen handeln.
    Ich griff zu den Blättern und überflog die Orchester- und Soloparts des ersten Satzes. Wolfgang musste das Stück für Stadler geschrieben haben, weil es die tiefen Töne der Bassklarinette seines Freunds verlangte.
    Stadler rief aus der Küche. «Ich kann nur Branntwein finden, Madame.»
    Ich war so in Wolfgangs herrliche Komposition versunken, dass mich die laute Stimme aufschreckte. Ich ging zur Tür. «Sehr gut, Herr Stadler. Branntwein ist genau das Richtige.»
    Als ich wieder an den Schreibtisch trat, bemerkte ich, dass die Noten auf einem Gästebuch lagen, in das sich Freunde und Besucher seines Hauses eingetragen hatten. Es war auf einer Seite aufgeschlagen, die mit ein paar Textzeilen undeiner Unterschrift beschrieben war. Die gleiche Unterschrift wie die auf den Notenblättern in meiner Hand.
    Der Text war in Englisch. Ich erinnerte mich, dass Schikaneder mir über die Freimaurer erzählt hatte, sie würden im Gedenken an die Ursprünge ihrer Bruderschaft untereinander in englischer Sprache korrespondieren.
Für meinen lieben Stadler, dessen Klarinette eine Zauberflöte ist, die die Menschheit frei macht und höhere Gefühle befördert. Vergiss nie den Bruder (du weißt, wie ich es meine), der dich von Herzen liebt. Wolfgang Amadeus Mozart.
    Unter die Unterschrift waren nebeneinander noch zwei Dreiecke gesetzt.
    Der Bruder.
Ich wusste in der Tat, was das bedeutete. Stadler hatte eingeräumt, dass er ein Logenbruder Wolfgangs war. Schikaneder hatte mir von den Dreiecken erzählt, die den Freimaurern untereinander als Erkennungszeichen dienten.
    Ich fuhr mit den Fingern über die Handschrift meines Bruders.
Du weißt, wie ich es meine.
Seine suggestive, gleichsam augenzwinkernde Stimme. Auf der Suche nach einer zweiten Botschaft Wolfgangs blätterte ich durch die Seiten.
    Zwei weitere Dreiecke erregten meine Aufmerksamkeit. Sie beschlossen die Notiz eines anderen Schreibers, jedoch in gleicher Sprache. Sie fand sich auf der letzten beschriebenen Seite des Buchs, datiert vom gestrigen Tag.
    Sei fleißig. Meide Müßiggang. Dein guter Freund und Bruder Baron Konstant von Jacobi.
    Auf der gegenüberliegenden Seite noch ein Eintrag auf Englisch.

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