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Mozarts letzte Arie

Mozarts letzte Arie

Titel: Mozarts letzte Arie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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Preußen womöglich Freimaurer?
    Auf einem Tisch in der Bühnenmitte lagen ein blankes Schwert und ein aufgeschlagenes Buch vom Format einer Familienbibel. Auf dem Buch ein Schädel.
    Ein Mann trat in den Lichtschein der Bühne. Es war Lichnowsky.Er hatte eine weiße Schürze um die Hüften geschlungen.
    «Verehrte Brüder im Handwerk, es hat dem ewigen Meister gefallen, unseren geliebten Bruder aus der Kette unserer Bruderschaft zu ziehen.» Er sprach laut und langsam. «Wer hätte ihn nicht gekannt? Wer hätte ihn nicht geschätzt? Wer hätte ihn nicht geliebt, unseren würdigen Bruder Mozart?»
    Lichnowsky musterte die versammelten Männer. Sein Gesichtsausdruck war abweisend, als sei seine Eloge eine Anklage. Rechnete er damit, dass jemand eingestehen würde, Wolfgang nicht geliebt oder geschätzt zu haben?
    «Noch vor wenigen Wochen stand er mitten unter uns und verschönerte mit zauberhaften Klängen die Eröffnung unseres Freimaurertempels. Heute Abend haben wir seine Musik wieder gehört. Er war ein begeisterter Anhänger unseres Ordens. Er war Ehemann, Vater, Freund seiner Freunde und seinen Mitbrüdern ein Bruder.»
    Lichnowsky ging wieder auf seinen Platz.
    Einer der Männer erhob sich von seiner Bank. Es war der Bibliothekar, den ich bei meinem Besuch bei Baron Swieten gesehen hatte.
    Stadler kam auf ihn zu, verband dem Mann die Augen und führte ihn in die Saalmitte. Er rief ihm zu, sich für die Initiation in die Loge vorzustellen.
    «Petent Josef Strafinger, Sohn Michaels, siebenundzwanzig Jahre alt.» Seine Stimme war tief und forschend, als durchsuchte er hinter seiner Augenbinde die Dunkelheit des Raums. «Geboren am ersten Mai in Rohrau, Österreich. Römisch-katholischen Glaubens. Bürgerlich. Von Beruf Assistent an der kaiserlichen Bibliothek.»
    Stadler hob das Schwert. «Eine Warnung. Und dein Eid. Schwöre, mit niemandem über die Geheimnisse der Bruderschaft und die Ausübung unserer königlichen Kunst zu sprechenund auch nicht die kleinste Silbe oder den kleinsten Buchstaben auf irgendeine Fläche unter dem Himmelszelt zu schreiben oder einzugravieren. Solltest du es dennoch tun, schwöre beim Großen Architekten, dass du deine Strafe kennst, die darin bestehen wird, dass dir die Kehle von Ohr zu Ohr durchschnitten und die Zunge aus dem Mund gerissen wird.»
    Der Adept mit der Augenbinde wiederholte den Eid. Als er fertig war, presste er ernst die Lippen zusammen.
    Ich stellte mir diesen Moment bei Wolfgangs Initiation vor. Mich überkam eine Ahnung der Gefahr, in die er geraten war. Ich bedeckte meine Augen. Als ich die Hand wieder wegzog, kam es mir vor, als sähe ich den Tod an mir vorbei in den Saal huschen und dem Adepten die Binde vom Kopf ziehen.
    Doch das entblößte Gesicht war nicht das des Bibliothekars, sondern das meines Bruders. Ich rang nach Luft. Die Worte des blutrünstigen Eids klangen in meinen Ohren nach. Wolfgangs Stimme wiederholte das tödliche Schicksal eines Verräters. Er wandte sich mir zu, ein blutleerer, blauer Leichnam, grinsend wie der Totenschädel auf der Bühne.
    Ich hörte ein Kreischen und wich zur Tür zurück. Die Freimaurer drehten sich zum Saaleingang um. Mir wurde klar, dass ich selbst den Schrei ausgestoßen hatte.
    Ich lief davon. Die Männer folgten mir.
    Lichnowsky hielt mich am Arm fest und eilte mit mir die Treppe hinab. Er zog sich die Schürze von den Hüften und warf sie einem Lakai in die Arme.
    Als wir auf die Straße hinaustraten, versammelten sich die Brüder auf der Treppe. Strafinger hatte sich die Augenbinde auf die Stirn geschoben. Er sah so gekränkt aus, als hätte ich ihn beim Entkleiden beobachtet. Einer der Männer rief: «Eine Frau? Wer hat eine Frau mitgebracht?»
    Die Kälte der Nacht ließ mich frösteln. Lichnowsky hielt meinen Oberarm fest, als wir über den Graben gingen. «Jetzt wissen Sie, dass ich Freimaurer bin.»
    Ich schüttelte den Kopf. «Das wusste ich bereits. Ich habe die Dreiecke gesehen, die Sie in Stadlers Gästebuch gezeichnet haben. Aber ich wusste nicht, welche grauenhaften Eide die Freimaurer schwören.»
    «Das ist nur ein Eid. Er bedeutet nichts. Es ist ein bisschen Theater, sonst nichts.»
    «Sie waren Wolfgangs Bruder? Dies war seine Loge?»
    «Seit sieben Jahren.»
    «Hat er auch diesen Eid geschworen?»
    «Ich muss darauf bestehen, dass das Thema gefährlich ist.»
    «Hat er?» Ich wurde lauter. «Hat er geschworen?»
    «Hören Sie auf. Es ist zu riskant, darüber zu reden.»
    Wir erreichten die

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