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Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell

Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell

Titel: Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Hunt
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der Knoten ging sofort auf. »Bah«, sagte Churchill. Er wollte das Ding auf einen nahen Tisch schleudern, aber es fiel daneben. Ein feuchtes Schmatzen ertönte. Black Pat schlappte die Fliege vom Teppich auf.
    »Himmeldonnerwetter … « Churchill zog die Stirn kraus.
    Black Pat schob die Fliege im Maul nach vorn, kaute darauf herum. Dann ließ er sie lang heraushängen und schlenkerte mit dem nassen Ende, bis er die Lust daran verlor. Sie fiel wieder auf den Boden.
    »Mit wem schimpfst du?« Randolph hatte sich von der Pflanze abgewandt. »Wo ist deine Fliege?«
    »Da drüben«, log Churchill. Er wusste, dass Randolph nicht hinschauen würde. Das tat dieser auch nicht, sondern schlenderte ans Bücherregal, zog einen dicken Wälzer heraus und schlug ihn aufs Geratewohl auf. Er überflog die Seite.
    »Verschwinde, du Miststück!«, zischte Churchill den Hund an. »Ich bin mit meinem Sohn hier.«
    »Womit bist du hier?«, fragte Randolph geistesabwesend durchs Zimmer, den Kopf über das Buch gesenkt.
    »Ich bin mit meinen Gedanken hier«, sagte Churchill. »Und mit meinen Erinnerungen.«
    »Ja, ich auch«, sagte Randolph liebevoll.
    Black Pat musterte Randolph ohne großes Interesse. Churchill wusste, dass sein Sohn ebenfalls depressive Phasen hatte, und sah in ihm die gleichen dunklen Adern, die sich durch sein eigenes Seelengestein fraßen. Momentan war Randolph frei davon, aber beim Anblick von Black Pats Gesichtsausdruck stieg in Churchill die Angst auf wie eine dunkle Wolke. Er kannte die Methode des Hundes, immer wieder zu kommen und zu gehen, und wusste, wie die Keime seines Einflusses sich einem bis ins Mark fressen konnten.
    Churchill griff sich den Aluminiumjagdstock, den er als Gehhilfe benutzte, und schritt auf die Tür zu.
    »Du solltest noch ein Weilchen bleiben.« Black Pats Stimme war belegt. »Lass Randolph gehen.«
    Randolph klappte mit einem dumpfen Geräusch das Buch zu. »Sollen wir gehen?«
    »Lass ihn gehen«, wiederholte Black Pat.
    »Ja«, sagte Churchill zu Randolph. Dann: »Nein, noch nicht sofort.«
    »Ich bleibe bei dir«, sagte Black Pat gedämpft.
    Ein angestrengter Ton entrang sich Churchills Brust, bevor er sagte: »Randolph, würdest du bitte draußen warten? Ich komme gleich nach.«
    Randolph ging und schloss die Tür mit einem leisen Klicken. Churchill begab sich an seinen Schreibtisch und stützte sich mit den Fingerspitzen darauf. Seine Finger machten kleine feuchte Monde auf der blank polierten Tischplatte.
    »Ich habe Jahre in diesem Gebäude zugebracht«, sagte er zu dem Hund. Er wandte das Gesicht ab. »Ich spüre meine Vergangenheit in den Wänden, in den Räumen. Ich höre die Gezeiten meines Lebens, das Anrollen und Überrolltwerden der Jahre. Und die Jahrzehnte zeichnen Muster aus Schaum auf den Sandstein.«
    Churchill versetzte seine Hände und hinterließ zehn weitere feuchte Monde. Der Elfenbeinelefant schimmerte weiß auf seinem Schränkchen zwischen den goldgerahmten Fotografien. Das Zimmer war friedlich, die Oberflächen glänzten im indirekten Abendlicht. Irgendwo in der Nähe rief eine Ringeltaube mit ihrer trägen Stimme.
    Der Hund stand neben ihm wie ein schwarzer Berg. Churchill hustete kurz und rau, um sich zu sammeln, um die nötige Festigkeit aufzubringen. Erhobenen Hauptes ließ er ein letztes Mal den Blick durch das Büro schweifen und prägte sich alles ein, bis seine Augen schließlich an einem anonymen Fleck auf dem Teppich vor ihm verharrten. Er stieß ein paarmal liebevoll mit dem Ende des Jagdstocks darauf, und es gab ein metallisches Scheppern. »So, das war’s dann wohl.«

18
    13 Uhr 35
    E sther war mit dem vollgestapelten Bücherwagen unterwegs und räumte eifrig die Rückgänge ein.
    Eine milde gestimmte Beth erschien. »Ich muss ein Geständnis machen.«
    Im Raum saßen ein paar Politiker lesend und schreibend an den Tischen in Fensternähe, keiner in Hörweite.
    Beth sagte abermals: »Ich muss ein Geständnis machen.«
    »Könntest du es vielleicht später machen? Ich habe zu tun. Diese ganzen Bücher … « Esther zeigte mit dem Daumen auf den Wagen. »Das ist ein ziemlicher Berg.«
    Sie lächelte Beth entschuldigend an. Die Wagenräder blockierten, als sie anschob. Um sie zum Bleiben zu zwingen, griff sich Beth das Buch, das Esther gerade zurückgestellt hatte, und warf es wieder zu den anderen.
    » Beth! « Mit Anstrengung schaffte Esther es, den Bücherwagen nach hinten zu

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