Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell
tippen. Er schmunzelte seinen Schoß an, denn er hatte die Antwort erwartet. »Dann will ich Sie aufklären.« Er blickte sie schräg von unten an.
Dennis-John hatte einen dunkelbraunen Haarschopf mit Seitenscheitel. Diese Frisur war ein niemals endender Kampf. Die Haare waren eigensinnig und wollten ständig in üppige Künstlerwellen ausbrechen. Manchmal, wenn Dennis-John betrunken war oder sich abgespannt fühlte oder vor Wut innerlich kochte, hatten die Haare Erfolg. Aus diesem Grund konnten seine Haare von Leuten, die ihn gut kannten, als Seelenbarometer genommen werden. Heute waren die Haare vollkommen unter Kontrolle.
»Montag, der siebenundzwanzigste, ist der Tag, an dem Sir Winston Churchill seinen Abschied vom Parlament nimmt. Die versammelte Presse des Landes wird sich vor der Tür zusammenrotten, und Sir Winston wird eine kurze Rede halten.« Dennis-John vergewisserte sich, ob sie den Informationen bis dahin hatte folgen können, von ihrer Auffassungsgabe nicht restlos überzeugt. Gut, die Meldung war angekommen. Bravo. Er sprach weiter.
»Sir Winston wird diese Rede ausarbeiten müssen, und er wird das auf seine typische Weise tun, nämlich sie in seinem Arbeitszimmer bei sich zu Hause in Kent diktieren. Wir brauchen jemand Handsames als Aushilfssekretärin.«
Esther war gespannt. »Dieser handsame Jemand soll ich sein?«
»Ja.« Ein kurzes Lächeln köchelte auf. »Sie sind auf pfiffige Art handsam.«
Sie wandte sich an Dennis-Johns Ohr, einen sichereren, nicht so explosiven Teil seines Kopfes. »Hat denn Sir Winston keine Sekretärin?«
»Seine Sekretärin ist erkrankt. Ich habe die Anweisung erhalten, mich nach einem Ersatz umzuschauen, und ich habe Sie vorgeschlagen, weil mir einfiel, dass Sie mal als Sekretärin für den Abgeordneten eines Ostlondoner Wahlbezirks tätig waren.«
»Ja«, sagte Esther zögernd. »Ist allerdings schon ein Weilchen her.«
»Und ich glaube, Sie haben langjährige Erfahrung als Sekretärin, nicht wahr? Sie können Diktate aufnehmen, Steno und blind tippen.«
»Gibt es denn keine richtige Sekretärin, die dafür besser – «
»Nein.«
Das war schwer zu glauben. »Wirklich? Weil – «
Dennis-John fiel ihr mit seiner Logik ins Wort. »Es war eine persönliche Anfrage vom Premierminister, die ich nicht abschlagen konnte. Die Unterhausbibliothek genießt hohes Ansehen, weil wir größten Wert auf Korrektheit und Qualität legen. Die Genauigkeit unserer Arbeit ist legendär und in den Sagen verewigt, die sich um Westminster ranken. Diesen Sagen nach zu urteilen, sind die Bibliotheksmitarbeiter die reinsten … « Dennis-John hatte kein Beispiel zur Hand. Doch, jetzt. »Sie sind die reinsten Werwölfe an Sorgfalt.« Nicht sehr gut, ziemlich schlecht, um die Wahrheit zu sagen. Dennis-John sah ein, dass er den mythologischen Einschlag zurücknehmen musste. Eine zackige Handbewegung befahl ihr, das zu vergessen. »Wenn also eine Notlage nach einer gelehrigen, gewissenhaften Person verlangt, kommen sie zu mir. Wir sind vertrauenswürdig und zuverlässig. Und daher vertraue ich Ihnen und verlasse mich auf Sie.« Eine kurze Kopfbewegung, die ihr galt. »Ein schönes Kompliment für Sie, und ich bin nicht dafür bekannt, dass ich meine Mitarbeiter mit zu viel Lob überschütte.«
»Na gut«, sagte Esther. Sie versuchte, geschmeichelt zu erscheinen. »Tja, danke, dass Sie mich vorgeschlagen haben. Ich werde auf jeden Fall mein Bestes geben.«
»Ha, damit werden Sie sich keinesfalls begnügen«, stellte Dennis-John klar. »Sie werden sich bemühen, mein Bestes zu geben. Alles darunter, alles, was Ihr bescheidenes Bestes vollbringen könnte, wäre ganz und gar unzulänglich. Haben Sie verstanden?«
Dennis-John hielt nach einem Indiz dafür Ausschau, dass Esther verstanden hatte. Ja, da war es. Eine neue Ermahnung musste ausgesprochen werden.
»Esther, Churchill ist niemand, der sich Dummköpfe gefallen lässt, also richten Sie sich danach. Keine Backfischkommentare. Keine dummen Fragen, und, damit das klar ist, alle Fragen sind dumm. Schreiben Sie mindestens mit doppeltem Zeilenabstand. Kichern Sie nicht – «
»Ich kichere nie … glaube ich«, warf Esther ein. »Mit Sicherheit nicht sehr häufig.«
»Und ein Mann von Churchills Alter hat es verdient, an seinem Ruhetag nicht übermäßig beansprucht zu werden. Damit es schneller geht, werden Sie Sir Winstons Diktat direkt in die Maschine schreiben, wie es seine Sekretärinnen im Krieg taten. Also dreschen Sie nicht
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