Mr. Darcy bleibt zum Fruehstueck
er nach hinten kippte. Als ich sah, was darin lag, schnappte ich nach Luft. Es war eine Kette mit bunten Perlen so groß wie Murmeln, die durch eine feine Goldkette miteinander verbunden waren.
»Ann«, sagte ich leise. »Die ist unglaublich schön.«
»Zieh sie mal an«, drängte sie.
»Woher hattest du das Geld dafür?«, fragte Iris neidisch.
»Sie ist nicht neu«, erklärte Ann. »Ich habe sie in einem Pfandleihhaus gekauft. Durch die Krise sind sie bis obenhin voll. Der Besitzer hat gesagt, dass Unmengen von Leuten für einen schnellen Kredit eher zu ihm als zur Bank gingen. Niemand hat sie zurückgeholt, also habe ich sie gekauft. Ich dachte, du könntest sie gebrauchen …«
Wir wechselten einen wissenden Blick. Eine echte Perlenkette verlieh meiner Rolle als Lady Kate Glanz. Ich stand barfuß im schwarzen Unterkleid, in dem ich immer schlief, vor Anns großem Spiegel und legte die Kette an. Sie war wirklich erstklassig. Einen Augenblick lang empfand ich Mitgefühl mit der Frau, die Weihnachten ohne ihre Perlen verbringen musste, weil sie sie durch höhere Gewalt verloren hatte. Aber ich dachte nur kurz daran, denn welches Pech die vorherige Besitzerin auch gehabt hatte, die Perlenkette sah aus wie für mich gemacht, ein verwaschener Regenbogen aus Kaugummikugeln, von dem ich hoffte, dass er mich zu einem Goldschatz führte.
»Ist das nicht das Unterkleid deiner Großmutter?«, fragte Iris plötzlich, als hätte ich es gestohlen.
»Stimmt«, antwortete ich ernst. Nana hatte es in den vierziger Jahren gekauft und es mir geschenkt, weil sie wusste, wie sehr ich Vintagekleider liebte.
»Ann, die ist umwerfend. Du hast einen tollen Geschmack.« Ich grinste und ignorierte Iris’ bösen Blick. »Ich hätte nie gedacht, dass ich mal echte Perlen besitzen würde. Und so große!«
»Deine Großmutter hat immer gesagt, dass Perlen Tränen bedeuten«, murmelte Iris laut genug, dass wir es hören konnten.
»Nana war sehr abergläubisch«, zischte ich.
»Perlen bedeuten Tränen?«, wiederholte Ann leise, mit einem leichten Anflug von Angst in ihrer Stimme. Sie hatte den Aberglauben meiner Großmutter immer wortwörtlich genommen.
Ich tat so, als hätte ich Iris’ Warnung nicht mitbekommen, und streichelte meine Perlen, als wären sie eine Perserkatze.
»So wie man auch kein Messer verschenkt, weil es die Freundschaft zerschneidet«, fuhr meine Mutter fort. »Oder einen Hut auf einen Tisch legt.«
»Auf ein Bett«, verbesserte ich sie und kam mir dämlich vor, weil ich in die Falle gegangen war. »Schuhe soll man nicht auf einen Tisch stellen.« Dann drehte ich mich um und tanzte fröhlich über den Parkettboden und bewunderte meine Perlen.
»Du musst sie nicht behalten«, bot Ann zitternd an. »Ich kann sie umtauschen.«
Ich blieb abrupt neben dem Weihnachtsbaum stehen, mein Arm berührte aus Versehen die Äste, so dass der glitzernde Glasschmuck klirrte. Es klang wie Musik, aber als sie leiser wurde, drehte ich mich zu meiner Mutter um.
»Auf gar keinen Fall!«, antwortete ich vehement. »Ich bin nicht abergläubisch.«
»Die Frau, der sie früher gehörten, muss Pech gehabt haben«, sagte Ann.
»Ann hat Recht«, verkündete Iris triumphierend, weil sie mir die Freude an meinem Geschenk verdorben hatte.
»Das meint ihr doch nicht ernst?«, fuhr ich fort, meine Stimme zitterte wie der Glasschmuck vorhin. »Wenn ihr denkt, ich könnte noch mehr weinen als in den letzten Monaten, liegt ihr falsch.« Während ich sprach, wand ich die Perlenkette fester und fester um mein Handgelenk, bis mir die Kette ins Fleisch schnitt. »Und wisst ihr was? Ich habe all die Tränen vergossen, ohne eine einzige Perle zu besitzen.«
»Du behältst sie also?«, fragte Iris sarkastisch.
»Ja«, antwortete ich und zwang mich zu lächeln, obwohl ich zitterte. »Ann wird den ganzen Tag ihren Kaftan über ihrem Flanellnachthemd tragen, und ich werde meine Perlen den ganzen Tag über meinem Unterkleid tragen.«
»Und was soll ich tragen?«, fragte Iris trotzig.
»Versuch’s hiermit«, sagte ich und nahm eine große, rosa Schachtel unter dem Baum hervor. Sie war aus Florida. Iris und meine Großmutter hatten immer dort überwintern wollten, aber im Moment konnte ich nicht mehr bieten. Sie öffnete die Schachtel und schlug das rosa Seidenpapier auseinander, darunter lag ein langer rosa-weißer Sarong mit einem passenden Badeanzug. Ihre Augen wurden vor Aufregung ganz groß, und kurz kamen ihr Tränen, aber sie wischte sie
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