sehr attraktiv sind, Fräulein Belmont.“
Ich und attraktiv? Geht's noch?
„Tun Sie nicht so erstaunt. Was unter diesem Kostüm hervorblitzt, ist … bezaubernd.“
Während er mir diese Worte zuhaucht, legt er seine rechte Hand auf meine Schulter und streichelt über meine Taille bis zu meiner Hüfte. Trotz der Kleidung, die zwischen seiner Hand und meiner Haut liegt, verspüre ich einen angenehmen Schauer.
„Diese goldblonden Locken, die sich immer aus Ihrem Haarknoten lösen …“
Und mit einer langsamen Geste streicht er mir eine Haarsträhne hinters Ohr. Ich schließe die Augen, um den Moment vollends zu genießen.
„Dieser einladende Nacken …“
Er streift darüber. Die Berührung seiner Hand ist himmlisch. Ich spüre, wie ich ihm immer mehr verfalle. Er verzaubert mich mit den Spitzen seiner Finger.
„Diese rosaroten Wangen …“
Er legt seine Hand auf mein Gesicht. Ich kann nicht mehr. Ich bekomme kaum Luft.
„Dieser verträumte Blick und die Art und Weise, wie Sie in Gedanken versunken an einem Stift kauen, wenn Sie hinter dem Empfangstresen stehen…Wie gerne ich dieser Stift wäre…“
Mit seinem Daumen streichelt er mir über meine Lippen.
Warum küsst er mich nicht einfach?
Ich öffne die Augen. Er macht einen Schritt zurück. Will er mich nur zum Narren halten? Ich möchte mich ihm am liebsten an den Hals werfen, aber etwas hält mich zurück: Wir spielen nach seinen Regeln. Ich weiß es, ich spüre es.
Plötzlich packt er mich schnell und beinahe brutal an meiner Taille, zieht mich zu sich und küsst mich leidenschaftlich. Unsere Zungen berühren einander und unsere Münder verschmelzen miteinander. Ich weiß nicht mehr, wo sein Gesicht anfängt und wo meines aufhört. Ich kann kaum noch atmen.
Er drückt meinen Rücken gegen die Tür und hält meinen Arm dermaßen fest, dass ich mich nicht mehr bewegen kann. Sehnsüchtig vergeht er sich an meinem Gesicht und beißt mir in die Lippen. Ich spüre seine feuchten Küsse an meinem Hals. Mir ist schwindelig. Spitze, nahezu erstickte Töne entringen sich meiner Kehle. Diese zielstrebige Unerbittlichkeit erregt mich zutiefst.
Schlagartig zieht er sich jedoch zurück. Nach Luft ringend, sehe ich ihn fragend an. Sein Gesichtsausdruck ist nicht mehr der Gleiche und er wirkt angespannt. Nach einigen Sekunden der Stille, die mir wie eine Ewigkeit vorkommen, sagt er schließlich mit leicht irritierter Stimme:
„Was ist, Fräulein Belmont?“
„Ich weiß nicht … Sagen Sie es mir. Es ist nur … Sie sind plötzlich so … kalt, nachdem Sie so … liebenswert gewesen sind …“
Er nähert sich mir, beugt sich über mich und sagt mit einem Unterton von Feststellung und Reue in seiner Stimme:
„Ich bin nicht liebenswert, Julia.“
Daniel Wietermann verschwindet in seinem Salon und ich stürme aus der Suite und renne auf mein Zimmer. Ich werfe mich auf meinen tröstlichen, alten Klubsessel und schließe die Augen. Meine Lippen schmecken immer noch nach seinen Küssen. Aber das Glücksgefühl, das ich eigentlich empfinden sollte
(Er hat mich geküsst! Er empfindet also etwas für mich!)
, wird von einem Gefühl der Verständnislosigkeit und der Angst getrübt. Diese unergründlichen Sinneswandel bringen mich total aus der Fassung.
Ich richte mich auf, schnappe mir meinen Laptop und schalte ihn ein, in der Hoffnung, eine Nachricht von Sarah erhalten zu haben.
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Von: Sarah
[email protected] Gesendet: Freitag, 13. Juli 2012 09:21
An: Julia
[email protected] Betreff: Endlich sprachlos!
Was für eine tolle Neuigkeit! Mach' dir nicht so viele Sorgen, Julia, deine Ruhelosigkeit ist etwas völlig Natürliches … Die Gefühle, die die Lust hervorruft, sind oftmals verwirrend, aber genau das macht sie auch so wunderbar. Das Gewissen spielt hierbei nur eine untergeordnete Rolle. Du glaubst, den Kopf zu verlieren, dabei entdeckst du lediglich einen tiefgründigen Teil deiner selbst. Hör' auf, dich so zu quälen! Er ist reich, na und? Er ist älter als du, aber … ist er wirklich schon so alt? Weißt du eigentlich, wie hübsch du bist? Manchmal bringst du mich wirklich zur Verzweiflung …
Bleib' einfach du selbst.
Küsschen,
Sarah
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P.S. Morgen wird abgerüstet! Ich fahre zu meiner Familie nach Sizilien! Wer weiß, vielleicht treffe ich Luca wieder …
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Von: Julia
[email protected] Gesendet: Freitag, 13. Juli 2012 22:07
An: Sarah
[email protected] Betreff: Heißkalt
Ach Sarah … Aus deinem Mund