Mr. Fire und ich, Band 4 (German Edition)
das Wiedersehen zwischen Daniel und seinem Vater nicht betrachtet.
Der warme Wasserstrahl tut mir richtig gut, er entspannt meinen Hals, lockert meine Schultern und wärmt meinen Rücken. Meine Beine fühlen sich leichter an, meine Füße entkrampfen sich. Zum Glück, denn heute Abend werden sie in hohe, feine Pumps schlüpfen. Bevor ich das Kleid anhabe, kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, wie ich aussehen werde. Ich gehe sehr sachte damit um: Es ist empfindlich und wegen der Edelsteine zugleich besonders schwer. Aufgeregt wie eine Prinzessin vor ihrem ersten Ball schlüpfe ich hinein. Vor den Schlafzimmerspiegeln kann ich mich im Ganzen betrachten: Das Kleid ist bezaubernd. Die Anordnung der Schmuckstücke bringt meine Formen zur Geltung. Die Steine glitzern, aber der eng anliegende Stoff akzentuiert jede meiner Bewegungen. Zweifellos wird diese Tercari-Kreation nicht unbemerkt bleiben. Was will er seinem Vater damit beweisen? Und was für Risiken meint er?
„Du siehst umwerfend aus.“
Ich habe ihn nicht kommen hören. Daniel schleicht sich hinter mich und legt mir ein prachtvolles Diamantcollier um den Hals.
„Das wertvollste Stück aller meiner Kreationen“, erklärt er mir, bevor er mich küsst.
Ich habe keine Ahnung, ob er von der Robe, dem Collier oder von mir in dieser Aufmachung spricht, und fühle, dass er darüber im Moment auch nicht mehr sagen wird. Er wirkt angespannt. Wer wäre das nicht, kurz vor einem solchen Treffen? Ich merke an seinem entfernten Blick und seinen verkrampften Zügen, dass der Abend nicht leicht wird.
„Wo gehen wir denn essen?“, frage ich, um die Atmosphäre ein bisschen aufzulockern.
„Ich habe einen Tisch im Grand Véfour in den Gärten des Palais Royal reserviert“, erwidert Daniel, als wäre es selbstverständlich, dass mir der Name dieses Restaurants etwas sagt.
Er lächelt mich an.
„Entschuldige, ich vergesse immer, dass du keine Pariserin bist. Es ist ein großes Restaurant, das sehr von Literaten und Künstlern geschätzt wird. Mein Vater hat die Frechheit besessen, mir mitzuteilen, dass er dort jeden Mittwochabend diniert.“
„Dein Vater ist Schriftsteller?“
„Nein, Maler.“
Mehr sagt er mir nicht darüber. Dennoch merke ich, in welche Richtung sich die Dinge entwickeln. Er ist sichtlich darüber verärgert, dass ihm die Wahl des Restaurants aufgezwungen wurde, dennoch liegt in seiner Stimme nichts Feindseliges. Ich lege meine Hände auf sein Gesicht und küsse ihn. Zuerst weicht er ein bisschen zurück, dann lässt er es mit sich geschehen, bevor er schließlich leidenschaftlich meinen Kuss erwidert. Er drückt mich an sich und legt seine Hände auf das Kleid. Ich erahne seine Lust, es mir auf der Stelle auszuziehen, aber er weiß, dass wir keine Zeit dazu haben. Ein Zuspätkommen ist undenkbar: Daniel könnte es nicht ertragen, seinem Vater gegenüber die geringste Schwäche zu zeigen. Eine Frage brennt mir auf den Lippen:
„Warum ein Kleid, das so ... sexy ist?“
„Gefällt es dir?“
„Es ist traumhaft.“
„Heute Abend will ich, dass du zugleich meine inspirierende Ratgeberin und mein Meisterwerk bist. Ich will meine Energie auf dich konzentrieren ... und auf die Nacht, die uns erwartet.“
Der letzte Satz lässt mich rot werden und muntert mich auf. Ich habe Lust auf ihn und bin mir sicher, dass Daniel das weiß.
Wir brechen auf. Während der kurzen Strecke sagt Daniel kein Wort. Ich werde immer nervöser. Man muss sagen, dass meine letzte Begegnung mit einem Familienmitglied von Daniel eine ziemliche Katastrophe war: Seine Mutter hat mich hochkant aus dem Anwesen von Sterenn Park geworfen und Daniel hat nichts dagegen unternommen ... Ich hoffe, dass es diesmal besser läuft.
Das Restaurant ist prachtvoll, ein zeitloser Ort mit Verzierungen aus Stuck und Gold. Ich bin entzückt. Ein Blick auf Daniel erinnert mich allerdings daran, dass ihm gerade nicht nach Betrachtungen zumute ist. Er gibt mir ein Zeichen, ihm zu folgen. Hinten im Raum erhebt sich ein Mann, als er uns näher kommen sieht.
Daniel und Camille sehen sich überhaupt nicht ähnlich. Vor mir steht ein großer, stämmiger Mann mit noch dichtem, silbergrauem Haar, das ihm auf die Schultern fällt. Sein glattes Gesicht wirkt allerdings müde: Er hat breite Ringe unter den Augen und einen leicht herabhängenden Mund. Die einzige echte Gemeinsamkeit zwischen Vater und Sohn liegt in ihrem Blick: Die gleichen ausdrucksvollen Augen blitzen in ihren beiden
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