vielleicht die Beherrschung. Du wolltest doch, dass ich mir anhöre, was mein Vater zu sagen hat, nicht wahr?“
Ich nicke.
„Also, dann begleitest du mich.“
Wir verlassen den Teesalon. Auf dem Gehsteig umschlingt mich Daniel und küsst mich leidenschaftlich. Ich liebe es, seinen muskulösen Körper und seine Zunge in meinem Mund zu fühlen. Unser Kontakt elektrisiert mich.
„Willst du, dass Ray dich irgendwo absetzt?“
„Nein, danke. Ich muss meine Wohnungssuche fortsetzen. Ich gehe zu Fuß.“
„In Ordnung. Wir treffen uns um 19 Uhr bei mir.“
Als wir auseinandergehen, fühle ich mich voller Leben. Daniel scheint etwas von seiner Energie auf mich übertragen zu haben. Heute gehört Paris mir!
5. Das Wiedersehen
Ich begebe mich in das Opernviertel ganz in der Nähe. Paris ist so eine angenehme Stadt! Meine gute Laune scheint ansteckend zu sein, denn ich habe den Eindruck, dass mir die Leute auf der Straße zulächeln. Ich flaniere, ein Auge auf den Sehenswürdigkeiten, das andere auf meinem Handy, um nach Wohnungsanzeigen für mein künftiges „Home sweet home“ zu suchen. Mehrere Male entdecke ich Ray, der wieder in seine Rolle als diskreter Schutzengel geschlüpft ist. Wir lächeln uns verständnisinnig zu, während ich die dritte Agentur verlasse, die mein Dossier
„interessant“
findet, aber nichts
„für Sie Erschwingliches“
zu bieten hat.
Erklärung:
„Wir notieren, dass Ihre Eltern für Sie bürgen, aber Sie sind nicht die Einzige!“
Nur nicht verzweifeln: Wenn ich in New York eine Unterkunft gefunden habe, werde ich auch in Paris eine finden.
Nach mehrstündiger Suche unter der Sonne in einem Paris, wo Anfang August keiner da ist und die meisten Türen verschlossen sind, hat meine Begeisterung ein wenig nachgelassen. Ich gönne mir ein touristisches Vergnügen: Ich kehre ins Café de la Paix ein und mache ein Foto von der Opéra Garnier. Das schicke ich meinen Eltern per Mail. Während ich an meinem Cola nippe, denke ich an meine Mutter, die überall herumerzählt, dass ihre
„Globetrotterin“
nach dem Aufenthalt in New York nun
„ein großes Studium“
in Paris beginnen wird. Wie wichtig ihr immer der äußere Schein ist!
Ein Signalton meines Handys verrät mir, dass eine Mail angekommt ist.
Schon? Normalerweise antworten meine Eltern nicht so schnell. Aber es ist eine Mail von Sarah.
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Von: Sarah
[email protected] An: Julia
[email protected] Gesendet: Mittwoch, 1. August 2012 16:32 Uhr
Betreff: Endlich zurück!
Huhu Julia,
Entschuldige, dass ich Dich neulich Abend nicht mehr wie abgemacht zurückgerufen habe, aber der Abend war eine einzige Ka-ta-stro-phe! Luca und ich, wir haben uns getrennt! Meine Julia, ich denke, es ist höchste Zeit für mich, nach Paris zurückzukehren. Hier auf Sizilien ist es toll, aber alles erinnert mich an unsere gemeinsame Zeit, die jetzt vorbei ist. Ich kann es kaum erwarten, Dich wiederzusehen. Hast du schon eine Wohnung für Dich gefunden? Wenn nicht, könnten wir uns eine WG für das nächste Jahr suchen. Was meinst Du? Übermorgen komme ich zurück. Ich werde Dich anrufen, um Dir zu sagen mit welchem Flugzeug.
Aber erzähl mir von Dir: Wie war Dein Abend mit Vincent? Hat sich Daniel bei Dir gemeldet?
Du fehlst mir, Julia, und ich sehne mich nach unseren Plauderabenden unter Mädels zurück!
Bis Freitag,
Liebe Grüße
Sarah
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Obwohl Sarah großen Kummer haben muss, kann ich ein Lächeln nicht unterdrücken: Sie kommt nach Paris zurück! Wir beide werden zusammenwohnen! Nach dem Nachmittag, den ich gerade hinter mir habe, gibt es keine größere Freude für mich als die Aussicht auf ein gemeinsames Zuhause. Dennoch tut es mir sehr leid für sie. Luca und Sarah bildeten ein leidenschaftliches Paar, das zusammengewachsen war. Die Art von Paar, das sich im Sommer am Strand kennenlernt, aber der Zeit trotzt. Lange waren sie für mich ein Traumpaar.
Bilden wir ein Paar, Daniel und ich? Das lässt sich noch nicht mit Sicherheit sagen. Noch nie habe ich so etwas Inniges mit jemandem erlebt, aber unsere Beziehung ist noch zu frisch und zu instabil, als dass ich mir schon eine gemeinsame Zukunft mit ihm vorstellen könnte. Außerdem hatte ich schon Gelegenheit festzustellen, dass Daniel keinen einfachen Charakter hat. Eine Gemeinsamkeit mit seiner Mutter, meinen wenigen Eindrücken nach zu urteilen. Ich frage mich, wie Camille wohl sein mag ...
Tom ist der Einzige, der mir darüber Auskunft geben kann. Mein New