Mr. Fire und ich, Band 4 (German Edition)
angezogen.
Ich merke, dass wir zum ersten Mal „normal“ zusammen ausgehen, auch wenn dieser Ausflug letztendlich mit Daniels beruflichen Verpflichtungen verbunden ist. Als wir zum Parkplatz kommen, sehe ich, wie Ray über das ungleiche Paar schmunzelt, das wir bilden: ich, die perfekte Touristin mit Strohhut und Sonnenbrille, und Daniel, der schicke Geschäftsmann mit Leinenanzug und Seidenhemd. Das Auto parkt wenige Meter von dem berühmten Platz in der Rue de la Paix.
Der Daniel, den ich kenne, verwandelt sich nun in einen wunderbaren Geschichtslehrer:
„Die Place Vendôme ist einer der berühmtesten Plätze von Paris. Sie wird auch als einer der luxuriösesten Plätze der Welt angesehen. Sie ist der Fantasie des Sonnenkönigs entsprungen, der als Symbol seiner Macht etwas Grandioses, Herrliches erschaffen wollte. Der Architekt Jules Hardouin-Mansart hat im Jahr 1699 die Place Vendôme entworfen.“
Ich bin fasziniert von dieser weiteren Facette Daniels. Wieder eine mehr. Zwischen dem schillernden Mr. Fire und dem strengen Daniel Wietermann ist dieser Mann kultiviert, erzählt mit ebenso viel Schlichtheit wie Begeisterung eine Geschichte, die er auswendig kennt, aber die Sinn für ihn hat. Das merke ich noch mehr, als er mir von seinen Kollegen erzählt:
„Der erste Juwelier, der sich an diesem Platz niederließ, war Frédéric Boucheron im Jahr 1893. Ein gefürchteter Konkurrent ... Aber wir haben es alle verstanden, unsere Geschäfte weiterzuentwickeln. Man wird als Juwelier geboren. Es ist ein außergewöhnlicher Beruf, der Inspiration und Kreativität erfordert.“
Daniel zeigt mir alle Schaufenster der Luxusläden und erzählt mir von der Seele des Juwelierhandwerks. Er hat ein bemerkenswertes Erzähltalent. Als aufmerksame Zuhörerin hänge ich an seinen Lippen und sauge seine Worte gierig auf.
Ein sehr junges Touristenpaar winkt uns zu. Der Mann spricht Daniel an:
„Entschuldigen Sie, sind Sie nicht Mr. Fire, der Juwelier, der auf dem Titelblatt von
Fortune
abgebildet war?“
„Das bin ich.“
„Meine Verlobte“, sagt er und lächelt seiner jungen Begleiterin zu, „schwört nur auf Ihre Kreationen. Im Übrigen haben wir gerade ihren Verlobungsring bei Tercari gekauft!“
Schüchtern streckt die junge Frau Daniel ihre Hand hin, der das Schmuckstück betrachtet. Es ist ein sehr fein geschliffener Solitär auf einem Ring, in den Smaragde eingearbeitet sind.
„Eine hervorragende Wahl“, sagt Daniel zustimmend. „Er steht Ihnen ganz wunderbar, Mademoiselle.“
„Könnten Sie ein Foto von uns beiden mit Mr. Fire machen?“, fragt mich der junge Mann.
Das tue ich sehr gerne. Es gefällt mir, Mr. Fire vor den Bewunderern seiner Arbeit zu sehen. Ein kleines bisschen neidisch gebe ich ihnen den Fotoapparat zurück.
Ein Foto mit Daniel ... Davon träume ich!
Sie sind entzückt. Zu meiner großen Überraschung nimmt Daniel meine Hand. Ich lasse mich von ihm zu einem Teesalon ganz in der Nähe ziehen.
„Ich habe Hunger!“, erklärt er und bestellt uns einen reichhaltigen Brunch.
Daniel ist in seinem Element. Wie in dem Restaurant vorgestern Abend kennt ihn das Personal und behandelt ihn mit höchstem Respekt. Er lächelt allen zu. Dabei strahlt er eine beeindruckende menschliche Wärme aus.
Ich denke daran, wie ich Daniel erzählt habe, dass sein Vater ihn kontaktieren wollte. An diesem Tag ist es mir gelungen, mit ihm zu reden. Daniel war zwar wütend, aber bereit, mir zuzuhören. Vielleicht sollte ich das noch einmal versuchen.
„Daniel?“
Er richtet seine fröhlich funkelnden Augen auf mich.
„Ja“, erwidert er, während er mir Bacon und Toast anbietet. „Kennst du die angelsächsische Art zu frühstücken? Du solltest die Bohnen in Tomatensauce probieren. Das ist köstlich.“
Mit einer Geste wehre ich ab, konzentriert auf das, was ich sagen will:
„Sagst du mir nun endlich, wer die Frau auf dem Foto ist?“
Ich merke sofort, dass ich einen Fehler begangen habe. Er wirkt noch nicht einmal wütend, auch nicht zornig. Aber als er das Wort ergreift, hat sich alles geändert:
„Julia, Julia ... Sie bereiten mir Kummer!“
Autsch! Warum siezt er mich nun wieder?
„Das ist meine Schuld“, murmelt er, mehr zu sich selbst. „Eine reifere Frau könnte vielleicht den Mund halten. Aber Sie ...“
So ein Rüpel!
Ich traue meinen Ohren nicht.
„Alles muss man Ihnen erst beibringen, Julia. Sie verfügen zwar auf manchen Gebieten über außergewöhnliche Fähigkeiten ...
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