Mr. Hunderttausend Volt!
Demonstranten erhoben sich ein paar Zeigefinger, darunter der von Molly Johnson mit grellgrünem Metallic-Nagellack, der in der Sonne glitzerte. Einer der Vermittler zückte daraufhin einen Block, machte sich rasch ein paar Notizen und nickte dem Sprecher zu.
"Okay, diese Herrschaften möchten sich bitte gleich in die Rechtsabteilung unserer Firma begeben. Mr. Harper, unser Anwalt, wird sich der Fälle annehmen."
Unruhiges Gemurmel erhob sich in der Gruppe. Man wog das Für und Wider des Angebots ab, doch dann traten die ersten Entschlossenen vor und plötzlich hatte die ganze Demonstration ihren Sinn verloren.
"Halten Sie mich auf dem Laufenden?", wandte sich Clearence Holmes von der Society-Press an Jessica, die den Davoneilenden unter zusammengezogenen Brauen nachsah. Vergessen war der zweite Teil ihrer Forderung. Aber so waren die Menschen nun mal: Sie zogen den schnöden Mammon einer emotionalen Entschuldigung vor!
"Warum?"
"Kann doch sein, dass das nur ein Bluff war." Clearence grinste. "Was tun Sie, wenn Carpenter nachher doch nicht zahlt? Ich meine, jetzt tragt ihr euch alle hübsch in die Liste ein und später könnt ihr zusehen, wie ihr an euer Geld kommt. Das wäre ein Fall, der mich interessieren würde."
"Abwarten." Jessica wusste noch nicht, was sie von den Geschehnissen halten sollte.
Nachdem die Gruppe der Demonstranten immer größer geworden war, hatte sie damit gerechnet, die kommende Nacht im neuerbauten Bezirksgefängnis verbringen zu dürfen. Dass Jonas Carpenter so einfach ohne großes Kriegsgetöse aufgab, machte Jessie misstrauisch. Aber um herauszufinden, was er plante, musste sie erst einmal in die Höhle des Löwen zurückkehren.
"Ich melde mich, wenn es etwas Neues gibt", versprach sie dem wartenden Clearence und machte sich dann selbst auf den Weg zum Verwaltungsgebäude. Bereits beim Pförtner wurde sie von dem Stoppelhaarigen aufgehalten.
"Miss Barnes?" Er streckte die Hand aus und wollte Jessies Ellbogen ergreifen, aber sie wich der Berührung aus. "Mr. Carpenter möchte Sie noch einmal sprechen."
"Ach?" Erstaunt runzelte Jessie die Stirn, nickte dann aber und folgte dem Stoppelhaar zum Lift. Es war weitaus besser, sich gleich dem Löwen zu präsentieren, als ihn durch Starrsinn noch mehr zu reizen.
*
Diesmal musste Jessica nicht in dem Blumenzimmer warten, sondern die pikiert dreinschauende Empfangsdame führte sie sofort in das Allerheiligste, dessen sandgestrahlte Tür einladend offenstand. Jonas Carpenter saß wieder hinter seinem Schreibtisch. Bei Jessies Eintritt erhob er sich jedoch sofort und machte der Empfangsdame ein Zeichen, die Tür zu schließen.
"Herrgott noch mal, Sie sind wirklich die zähste und wohl auch dickköpfigste Frau, die mir je begegnet ist!" Jonas musterte sie mit zornigen Blicken, in die sich durchaus auch Bewunderung mischte.
Jessie sah ihn mit ihren großen schwarzen Moorhexenaugen an und fragte sich zum zweiten Mal an diesem Tag, warum dieser Mann so verdammt gut aussah und im Gegensatz dazu, derart garstig war?
"Hier!" Jonas griff in die Brusttasche seines Jacketts und förderte einen Scheck zutage, den er Jessica in die Hand drückte. "Fünfzig Dollar, wie Sie gefordert haben. Ich persönlich hätte Sie ja tausendmal lieber im Gefängnis gesehen, aber meine Anwälte haben zur Mäßigung geraten. Also nehmen Sie Ihr Geld und gehen Sie."
Er trat noch etwas näher. Jessica konnte die kleinen gelben Pünktchen rund um seine Pupillen erkennen. Zugleich wehte ihr der Duft eines sehr teuren Herrenparfüms in die Nase. Dieser Mann ahnte ja gar nicht, was er mit seinen Augen und seiner verflixten Ausstrahlung alles anrichten konnte!
"Sie haben gewonnen, Miss Barnes, ich gratuliere", sagte Jonas leise. Es klang fast wie eine Liebkosung. Jessie fühlte, wie ihr trotz ihres Unbehagens ein wollüstiger Schauer über den Rücken rann. "Das gelingt wirklich nur wenigen Leuten. Aber ich warne Sie: Lassen Sie die Finger von meinem Sohn! Ich erlaube nicht, dass er sich mit einem Mädchen abgibt, wie Sie es sind."
"Ach – und wie bin ich?", platzte Jessie aufgebracht heraus. Ihre Reaktion auf Jonas' Nähe ärgerte und verwirrte sie.
"Geldgierig, sonst hätten Sie sich nicht ausgerechnet meinen unerfahrenen Sohn ausgesucht", versetzte Jonas boshaft. "Stur, herrschsüchtig, dickköpfig und abgebrüht. Kurz, ein ausgemachtes Miststück! Daniel ist nichts für Sie. Sie bringen ihm nur Unglück."
"Und Sie kennen Ihren Sohn in- und auswendig und
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