Mr. Hunderttausend Volt!
an ihr vorbeidonnerten und dabei so viel Staub aufwirbelten, dass man kaum die Hand vor Augen sehen konnte. Aber das störte Jessie nicht. Sie klatschte und pfiff auf den Fingern wie ein Gassenjunge und Jonas musste sie mehr als einmal hastig festhalten, um sie vor dem sicheren Absturz zu bewahren.
Das Rennen gewann schließlich ein riesiger, höllenschwarzer Truck mit knallroten Zierleisten und aufgebrushten Flammen auf der langen Motorhaube.
Nach der Siegerehrung kündigte der Stadionsprecher eine zweistündige Pause an, während der die kleinen Besucher von einigen Clowns bespaßt werden sollten. In einer Lagerhalle fand zudem die Preisverleihung an die schönsten Kaninchen des Districts statt.
Jonas und Jessica wanderten Hand in Hand über den sandigen Vorplatz zu der Kleintierschau. Ein seltsamer Geruchsmix aus Tieren, Staub, Zuckerwatte und gebrannten Mandeln lag über dem gesamten Platz, der Jessie an ihre Kindheit erinnerte. Auf dem alljährlichen Herbstjahrmarkt hatte es so ähnlich geduftet und sie hatte diesen Duft begierig in sich eingesogen, während sie auf den Schultern ihres Vaters sitzend an den Ständen vorbeigetragen worden war.
Jetzt war sie zu groß, um auf den Schultern getragen zu werden und wahrscheinlich war sie auch schon zu erwachsen für Zuckerwatte und den anderen Süßkram. Aber all das, was sie hier sah, hatte für sie immer noch dieselbe Faszination wie vor zwanzig Jahren.
Dieser Tag war so schön, dass sie am liebsten jede Sekunde davon fotografiert hätte, um die Bilder dann zu Hause jederzeit wieder ansehen zu können. Aber es gab so unglaublich viel zu sehen, dass sie sich gar nicht für ein Motiv hätte entscheiden können.
Eine junge Frau in weitem Petticoat, Cowboystiefeln und mit einem Stetson auf dem Kopf, kreuzte ihren Weg. Der gebogene Hut mit der gedrehten Kordel und dem Abzeichen auf dem Spiegel gefiel Jessica so sehr, dass sie der Frau so lange hinterherblickte, bis sie beinahe mit einem dicken Biker zusammengestoßen wäre, der ihr eisschleckend entgegenkam. Jonas zog sie rechtzeitig aus der Gefahrenzone.
„Hey, du träumst ja.“
Jessie lachte unbekümmert.
„Der Hut hat mir so gefallen“, entschuldigte sie ihre Unaufmerksamkeit. „Ich finde diese Dinger echt toll. Vielleicht kaufe ich mir auch so einen, bevor ich nach Hause fliege.“
„Einen Stetson?“ Jonas runzelte die Stirn. „Die tragen doch nur noch hinterwäldlerische Texaner. Normale Leute setzen sich so was nicht mehr aufs Hirn.“
„Und was ist mit den ganzen Leuten hier?“ Jessica vollführte eine ausholende Armbewegung, die den gesamten Platz mit allen Besuchern einbezog. „Sind das alles Texaner?“
„Okay, okay“, gab Jonas sich geschlagen. „Du bekommst einen Stetson.“
Die Kleintierschau war eine Mischung aus Streichelzoo und Tiermarkt, wo man junge Katzen, Ziegen, Hasen und alle Arten Federvieh kaufen konnte. Natürlich war Jessica hier nicht wegzubekommen. Sie musste alle Tiere streicheln, angefangen bei den Hühnern, die sich das erstaunlicherweise gefallen ließen, bis zu den Ziegen, deren Odeur nun wirklich nicht jedermanns Sache ist. In ihrer Begeisterung merkte Jessica gar nicht, dass sich Jonas diskret zurückgezogen hatte. Während sie zwei kleine Katzenbabies streichelte, kämpfte er sich durch das Gewühl der vielen Besucher auf der Suche nach etwas ganz Bestimmten.
Als er zurückkam, stand Jessie immer noch da und streichelte die Babys. Still in sich hineinschmunzelnd stellte Jonas sich ein Stück von ihr entfernt vor einen Hasenkäfig und wartete, bis Jessica von den Katzen genug hatte. Es dauerte eine geraume Zeit, ehe sie sein Fehlen bemerkte. Widerwillig riss sie sich von den schnurrenden Fellbündeln los und sah sich suchend nach Jonas um. Sie entdeckte ihn neben den Hasenverschlägen, die Arme vor der Brust verschränkt, um die Lippen ein kleines zufriedenes Lächeln. Rasch lief sie zu ihm und umarmte ihn spontan.
„Ach, Jonas, die Tiere sind alle so süß! Am liebsten würde ich sie so, wie sie sind, mit nach Hause nehmen. Aber damit wird Carol ganz und gar nicht einverstanden sein.“
„Das befürchte ich auch.“ Jonas lachte, wobei seine Stimme ein wenig zitterte, weil sein Herz plötzlich verrückt spielte. „Außerdem, wo willst du das ganze Getier lassen, wenn du wieder nach England zurück fliegst?“
„Ja.“ Jessica seufzte betrübt und ließ ihn los. „Du hast absolut recht.“
Beim Anblick ihrer traurigen Miene wurde es Jonas ganz
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