Mr. Joenes wundersame Reise
ausgehend, daß Sie einverstanden sind, lassen Sie mich Ihnen eröffnen, daß es sich mit den Menschen genauso verhält wie mit dem Adler. Und ebenso wie bei den Menschen verhält es sich auch mit uns. Es ist die unausweichliche 91
Folge, wenn man eine Perspektive, einen Standpunkt hat.
Unsere eigene Perspektive läßt sich kurz und treffend beschreiben. Wir glauben an Gut und Böse, an die Göttlichkeit und an eine universelle Moral.
Ebenso wie Sie, Mr. Schmidt.
Wir haben unsere Überzeugung in vielen Vari-anten und unter Anwendung verschiedener Lehren vorgetragen und dargelegt. Oft haben wir dabei in den Menschen die Leidenschaft zum Töten und zum Kriegführen geweckt. Das war auch genau richtig, da auf diese Weise Probleme der Moral und Religion einzigartig herausgestellt wurden und sich für uns Theologen ungeahnte Möglichkeiten eröffneten, über Inhalte und Bedeutungen zu diskutieren.
Wir haben immer Partei ergriffen, und wir haben unsere verschiedenen Meinungen und Erkenntnisse veröffentlicht. Doch wir haben dabei argumentiert wie Anwälte vor einem Gericht, und niemand, der halbwegs normal ist, hört auf einen Anwalt.
Damals erlebten wir eine wunderbare Zeit, wo wir hocherhobenen Hauptes stolz einhergingen, und niemals wäre es uns in den Sinn gekommen, daß die Menschen davon abgelassen hatten, uns Beachtung zu schenken.
Doch unsere Stunde der Trübsal näherte sich mit Riesenschritten. Als wir den Erdball mit unseren langweiligen, kompliziert formulierten Begrün-92
dungen überschüttet hatten, beschloß ein ganz bestimmter Mann, uns einfach zu ignorieren, und baute eine Maschine. Diese Maschine war in ihrer Art für uns nicht neu; das einzig Neue daran war, daß auch sie tatsächlich einen Standpunkt ein-nahm, daß sie eine Perspektive hatte.
Da also diese Maschine ebenfalls zur Meinungs-bildung fähig war, verbreitete sie nun ihre eigenen Ideen im Universum. Und sie machte es weitaus amüsanter und überzeugender, als es uns bisher gelungen war. Die Menschheit, welche so lange nach etwas Neuem gesucht hatte, wandte sich augenblicklich dieser Maschine zu.
Erst in diesem Moment erkannten wir die Gefahr, die Gut und Böse drohte. Denn die Maschine, so amüsant sie sich auch gab, predigte nach Art der Maschine und beschrieb das Universum ohne Werte und ohne Inhalte, ohne Gut und Böse, ohne Götter und ohne Teufel.
Diese Situation war ebenfalls nicht neu, damit waren wir schon zuvor recht gut zu Rande gekommen. Doch aus dem Mund der Maschine schien diese Lehre eine ganz neue Bedeutung und ein ungeahntes Gewicht zu gewinnen.
Unsere Jobs waren bedroht, Schmidt! Stellen Sie sich das einmal vor!
Wir, die Exponenten der Moral, schlossen uns zum Zweck der Selbstverteidigung zusammen. Wir alle glaubten an Gut und Böse und an die Göttlich-93
keit. Wir alle wendeten uns entschieden gegen das schreckliche Nichts, welches durch die Maschine gepredigt wurde. Dieses gemeinsame Ziel reichte völlig aus. Wir sammelten unsere Kräfte.
Ich wurde zum Sprecher gemacht, denn wir dachten uns, daß das Böse viel eher die Menschen würde von der Maschine ablenken können.
Doch selbst das Böse war schal und langweilig geworden. Vergebens trat ich für meinen Standpunkt ein. Die Maschine schlich sich ungehindert in die Herzen der Menschen und predigte weiterhin ihre Botschaft des Nichts. Die Menschen waren nicht bereit, den Irrsinn dieser Lehre einzusehen oder auch die ihr innewohnende Widersprüchlichkeit dieser Doktrin. Es war ihnen gleichgültig, sie wollten nur weiterhin ihre Stimme hören. Sie warfen ihre Kreuze, Heiligenbilder, Opferdolche und Gebetsmühlen fort und wollten nur noch der Maschine lauschen.
Wir versuchten vergebens, unsere Klienten zum Kampf aufzurufen; die Götter, die in den Jahrhun-derten so viele irreführende und verschwommene Argumente hatten anhören müssen, wollten nicht auf uns hören, uns nicht helfen, uns noch nicht einmal anerkennen. Ebenso wie die Menschen zogen sie die Vernichtung der Langeweile vor.
Deshalb begaben wir uns freiwillig in den Untergrund, um hier in Ruhe die Befreiung der Menschen von der Maschine zu planen.
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Versammelt an diesem Ort und verfügbar sind sämtliche religiösen Auffassungen und Glaubensinhalte, welche die Welt je sah.
Und deshalb, Schmidt, leben wir hier im Untergrund. Und deshalb sind wir auch glücklich, mit Ihnen reden zu können. Denn Sie sind ein Mensch, ein frommer Mann, ein Gläubiger, der Moral, Gut und Böse sowie Götter und
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