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Mr. Joenes wundersame Reise

Mr. Joenes wundersame Reise

Titel: Mr. Joenes wundersame Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sheckley
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meinte Laka.
    »Kor ist sehr religiös und glaubt aus voller Inbrunst an die Sitten und Gebräuche von Chorowait. Es ist bei uns Sitte und Pflicht, einen Gast in dieser Form 153
    willkommen zu heißen. Hat Professor Hanley Ihnen nichts davon erzählt?«

Joenes mußte eingestehen, daß Professor Hanley davon nicht das geringste auch nur erwähnt hatte.
    »Dann wollte er sich mit Ihnen einen Spaß machen«, sagte Laka. »Es war Professor Hanley selbst, der uns diese Sitte zur Pflicht machte. Er hat sie aus irgendeinem Buch übernommen.«
    »Davon hatte ich wirklich keine Ahnung«, be-kräftigte Joenes erneut und rückte eine Stück beiseite, um auf seinem Reisiglager seiner nächtlichen Besucherin Platz zu machen.
    »Ich hörte, daß Professor Hanley gerade in dieser Angelegenheit äußerst genau war und sehr viel Wert darauf legte«, erzählte Laka weiter. »In der Naturwissenschaftlichen Abteilung sollen Gegen-stimmen laut geworden sein. Doch Hanley hielt dem entgegen, daß wenn die Menschen eine Religion brauchten, sie auch Sitten und Gebräuche haben müßten, und daß diese Sitten und Gebräuche von Experten ausgesucht werden müßten. Am Ende überstimmte er die anderen und bekam seinen Willen.«
    »Ich verstehe«, sagte Joenes. »Hat Hanley auch noch andere Gebräuche ähnlich diesem eingeführt?«
    »Schon«, entgegnete Laka. »Die Saturnalien, die Bacchanalien, die Eleusischen Mysterien und das 154
    Fest des Dionysos und den Gründungstag und die Frühlings- und Fruchtbarkeitsriten im Herbst, und das Fest zu Ehren des Adonis, und ...«
    An dieser Stelle unterbrach Joenes seine Besucherin und meinte, es gäbe wohl eine ganze Reihe von Feiertagen in Chorowait.
    »Ja«, bestätigte Laka. »Wir Frauen haben immer eine Menge zu tun, aber wir haben uns schon daran gewöhnt. Die Männer scheinen da noch nicht so richtig mitzuspielen. Sie haben gegen die Feiertage natürlich nichts einzuwenden, doch sie neigen zur Eifersucht und Streitsüchtigkeit, sobald ihre Frauen eingespannt sind.«
    »Und was machen sie dann?« wollte Joenes wissen.
    »Sie befolgen den Rat Doktor Broigns vom Psy-chologischen Institut. Sie rennen die vorgeschrie-bene Strecke von drei Meilen durch das dickste Unterholz, springen in einen eisigen Fluß und schwimmen hundert Yards, dann hauen sie auf einen Punchingball aus Hirschleder ein, bis sie völlig erschöpft umfallen. Doktor Broign hat uns mal erzählt, daß mit diesem Zustand auch ein völliges Erlahmen der Emotionen einhergeht.«
    »Wirkt denn dieses Mittel?« fragte Joenes.
    »Nahezu unfehlbar«, bestätigte Laka. »Sollte der Zustand sich nicht gleich beim ersten Mal bessern, dann müssen die Männer die ganze Prozedur ein zweites Mal vornehmen oder sogar noch öfter. Die-155
    se Therapie hat noch zur Folge, daß dadurch die Muskeln wachsen.«
    »Das ist sehr interessant«, sagte Joenes. So dicht neben Laka liegend, stellte er plötzlich fest, daß er kaum noch Interesse für eine Diskussion über an-thropologische Fragen aufbrachte. Für einen flüchtigen Moment fragte er sich, ob Hanleys Technik, seine eigenen Vorlieben in die Gestaltung dieser ländlichen Gesellschaft mit einzubringen, nicht im Grunde abzulehnen war, doch dann rief er sich ins Gedächtnis, daß jegliche Gesellschaftsform allein vom Menschen bestimmt wurde und daß Hanleys Vorlieben sicherlich nicht schlimmer waren als viele andere, von denen er schon gehört hatte, und bestimmt viel besser als andere, die er bereits kannte. Im Entschluß, nicht mehr über diese Probleme nachzudenken, streckte Joenes eine Hand aus und berührte damit Lakas Haare.
    Mit einem kaum unterdrückten Schauer des Ekels wich Laka vor ihm zurück.
    »Was ist los?« fragte Joenes. »Darf ich Ihre Haare nicht streicheln?«
    »Darum geht es nicht«, sagte Laka. »Schlimm ist nur, daß ich es überhaupt nicht mag, berührt zu werden. Glauben Sie mir, es hat nichts mit Ihnen speziell zu tun. Ich bin eben so, ich kann nichts dafür.«
    »Wie ungewöhnlich«, sagte Joenes. »Und trotzdem sind Sie mit vollem Willen hergekommen, 156
    und wenn ich es recht verstehe, bleiben Sie auch aus freiem Willen, oder?«
    »Stimmt«, bestätigte Laka. »Es ist schon komisch, aber viele Menschen, die einen gewissen Hang zum primitiven Leben haben, empfinden eine tiefe Ab-scheu gegenüber den sogenannten sinnlichen Freu-den, welche die Professoren mit besonderem Interesse studieren. In meinem Fall, welcher sicher nicht aus dem Rahmen fällt, sieht es so aus, daß ich

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