Mr. K: Thriller (German Edition)
versäumt hat, wollte ich bei der Polizei eine Vermisstenanzeige aufgeben, aber man hat mir gesagt, ich müsste erst zwei Tage warten.« Er sah den Rechtsmediziner an. »Wie lange ist sie schon tot?«
Blasky schnalzte mit der Zunge. »Schwer zu sagen. Als ich ihre Körpertemperatur gemessen habe, hatte sie siebzig Grad Fahrenheit. Bei der Hitze und in der Mülltonne hätten es mindestens hundert sein müssen. Ich glaube, der Mörder hat sie nach der Tat auf Eis gelagert. Nicht in einer Tiefkühltruhe – es gibt keine Anzeichen von Frostbrand. Aber an irgendeinem kalten Ort.«
Mir lief es kalt den Rücken hinunter. Auf grausame Weise ums Leben zu kommen war schon schlimm genug. Danach wie Fleisch in eine Kühltruhe gesteckt zu werden war das Schlimmste, was ich je gehört hatte.
Shell gefiel diese Vorstellung anscheinend ebenso wenig wie mir, denn er entschuldigte sich und verließ eilig den Raum.
Herb steckte sich den Notizblock in die Brusttasche und sah mich an. »Wie lange arbeiten Sie schon verdeckt bei der Sitte, Jacqueline?«
»Gestern war meine sechste Nacht.«
»Trauen Sie sich zu, länger als eine Nacht verdeckt zu ermitteln? Sagen wir für eine oder zwei Wochen?«
Bei dem Gedanken, dass das vielleicht meine Chance war, endlich zur Mordkommission zu kommen, schlug mein Herz schneller. Dann müsste ich keine knappen Miniröcke und hochhackige Nuttenschuhe mehr tragen, sondern würde Respekt und Anerkennung bekommen.
»Das ist jetzt schon die dritte Leiche in sechs Wochen«, fuhr Herb fort. »Gleiche Vorgehensweise. Alles Escort-Girls. Zwei davon haben für Shell gearbeitet.«
»Bestimmt hat er sie selbst umgebracht«, sagte Harry. »Ich trau keinem, der so piekfeine Klamotten trägt.«
Herb und ich beachteten ihn nicht. »Sie schlagen also vor, dass ich mich als Escort-Girl tarne«, sagte ich.
Herb nickte. »Ich hab das bereits mit meinem Captain geklärt. Wir würden Sie bei Shell unterbringen und Sie würden bei ihm Vollzeit arbeiten. Er hat uns schon gesagt, er ist einverstanden damit. Wir gehen davon aus, dass der Täter im Umfeld von Shells geschäftlichen Aktivitäten zu suchen ist. Vielleicht ein Kunde oder ein Rivale. Sie müssen sich auf keine sexuellen Handlungen einlassen. Was Shell vorhin gesagt hat, stimmt. Er betreibt einen ganz normalen Escort-Service, keinen Prostitutiertenring. Sie hätten die ganze Zeit ein verstecktes Tonbandgerät bei sich und stünden unter ständiger Beobachtung …«
»Ich mach’s«, fiel ich ihm ins Wort.
Herb starrte mich an. Er hatte ein freundliches Gesicht, aber jetzt war sein Blick hart. »Es ist noch gar nicht so lange her, dass ich Streife gefahren bin und darauf brannte, endlich in Zivil zu arbeiten. Aber das ist eine ernsthafte Sache, Jacqueline. Der Mann, der diese Morde begangen hat, ist ein Monster.«
Ich starrte ebenso hart zurück. »Ich bin dabei. Deswegen bin ich Polizistin geworden.«
Wir sahen uns ein paar Sekunden lang schweigend an, ohne dass einer von uns dem Blick des anderen auswich. Dann grinste Herb plötzlich. »Prima«, sagte er schmunzelnd.
Machte er sich etwa über mich lustig? Ich verschränkte die Arme auf meiner Brust. »Was ist daran so witzig, Detective?«
Herb schüttelte den Kopf. »Überhaupt nichts. Ich hab nur so ein Gefühl, dass wir beide gut zusammenarbeiten werden.«
Heute
10. August 2010
Mir kamen allmählich die Tränen. Meine Augen brannten, als hätte mir jemand Tränengas ins Gesicht gesprüht. Aber meine Handgelenke brannten noch viel schlimmer.
Der Dreckskerl hatte das Seil, mit dem meine Arme gefesselt waren, mit Salz eingerieben.
Als ich nun das Seil an der Betonkante hin und her rieb, um es durchzuschneiden, schürfte ich mir langsam die Haut wund. Der Schmerz war für eine so unbedeutende Verletzung ziemlich ungewöhnlich. Es war so schlimm, wie ich mir eine Wurzelbehandlung vorstellte – oder eine Schusswunde und einen Beinbruch.
Mr. K verwendete gerne Salz. Es war eins seiner Markenzeichen, genauso wie der Ballknebel.
Ich muss unbedingt hier raus.
Während ich weiterhin an dem Seil herummachte, liefen mir die Tränen übers Gesicht. Ich biss auf den Gummiball, um mich von den Schmerzen abzulenken, und versuchte, nicht an die anderen Markenzeichen von Mr. K zu denken.
Diejenigen, die ich mit eigenen Augen gesehen hatte.
Drei Jahre vorher
8. August 2007
Ich ging zügig auf die Lagerhalle zu und passte dabei bei jedem Schritt auf, dass meine Jimmy Choos keine Kratzer bekamen. Sie waren
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