Mr. K: Thriller (German Edition)
und blähte dazu seine Backen auf, sodass es aussah, als würde er erwürgt. Ich langte nach unten und zog Dalton weg. Dann drückte ich Harry mein Knie in den Bauch.
»Bist du high?«, zischte ich zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.
»Ein bisschen.«
Die Anwälte fingen an mich anzuschreien. Ich hörte ein paar juristische Begriffe wie
Belästigung
,
Körperverletzung
und
Gerichtsverfahren
. Was Dalton anging, so blickte er drein, als ob ihn die Angelegenheit sogar ein bisschen amüsierte. Ich versuchte zu retten, was noch zu retten war.
»Mr. Dalton«, begann ich, »ich habe alles gesehen. Ich schlage vor, Sie kommen mit auf die Wache und erstatten Anzeige.«
»Was?!«, rief McGlade.
Herb beugte sich zu Harry herab. »Sie haben das Recht, die Aussage zu verweigern«, sagte er und grinste leicht, als er McGlade die Handschellen anlegte. »Wozu ich auch unbedingt raten würde.«
Dalton strich seinen Anzug glatt. »Ich werde keine Anzeige erstatten. Dafür hab ich einfach keine Zeit.« Er starrte zu mir herüber. »Zeit ist ein wertvolles Gut, nicht wahr, Jack? Wir sollten jede Minute genießen. Es soll ja Leute geben, die nicht mehr viel Zeit haben.«
Herb und ich halfen McGlade auf die Beine.
»Sie hören noch von mir«, warnte ich Dalton.
»Das glaube ich nicht. Aber vielleicht ruf ich Sie an, wenn mein Flieger gelandet ist.«
Wir zerrten Harry aus der Bar. Als wir draußen waren, sagte er: »Ich glaub, das ist gut gelaufen. Könnt ihr mir jetzt die Handschellen abnehmen?« Herb und ich ignorierten seine Bitte. »Was ist los? Wieso seid ihr so sauer?«
»Gott, ich hasse den Kerl«, murmelte Herb zu sich selbst.
»Jetzt aber mal Spaß beiseite. Ihr habt mich doch nicht wirklich festgenommen? Oder etwa doch?«
Ich seufzte. »Herb, lass ihn gehen.«
»Müssen wir das wirklich?«
Ich nickte. Mein Partner verzog das Gesicht, nahm Harry dann aber doch die Handschellen ab.
»Was hast du dir nur dabei gedacht?«, fragte ich. »Weißt du nicht mehr, wie es war, als du selbst noch bei der Polizei warst? Das Leben eines Kindes steht auf dem Spiel!«
Harry verdrehte die Augen. »Ach, hör doch auf, Jackie. Ein bisschen mehr kannst du mir schon zutrauen, oder? Wenn der Kerl da drinnen wirklich Mr. K ist, dann hat er sich total unter Kontrolle. Keine Chance, dass der ausrastet und ‘ne Schlägerei anfängt. Vor allem nicht, wenn zwei Polizisten dabei sind.«
»Und da hast du dir gedacht, dass es was bringt, wenn du ‘ne Show abziehst?«, sagte Herb.
»Nee, du Schlaumeier. Das war bloß zur Ablenkung.« Harry griff in seine Tasche und hielt triumphierend einen Gegenstand hoch. »Wer will die Brieftasche von dem Arschloch?«
Heute
10. August 2010
Als der Countdown-Zähler die Sechzig-Minuten-Marke unterschritten hatte, überprüfte ich noch einmal die Fesseln an meinen Handgelenken. Soweit ich das mit meinen tränengefüllten Augen sehen konnte, hatte ich das Seil nicht einmal zur Hälfte durchgescheuert.
Es hatte keinen Zweck. Ich würde es nie rechtzeitig schaffen. Das Brennen in meinen Handgelenken stellte alle Schmerzen, die ich bisher gehabt hatte, in den Schatten. Es war, als ob kleine Tierchen mit scharfen Zähnen an meiner wundgescheuerten Haut nagten. Ich legte den Kopf auf den Boden und überlegte, was ich als Nächstes tun sollte.
Anstatt auf das sich langsam drehende Folterrad zu gucken, starrte ich zur Decke empor. Obwohl ich kein bisschen religiös war, versuchte ich mir sämtliche Gebete, die ich mal gekannt hatte, ins Gedächtnis zu rufen.
In diesem Augenblick sah ich es. Etwas an der Decke über mir. Etwas, das glänzte, wenn es sich bewegte.
Ich blinzelte die Tränen weg und sah mit zusammengekniffenen Augen auf den Gegenstand. Ich brauchte nicht lange, um zu erkennen, was es war.
Eine Kamera. Das Arschloch beobachtete mich.
Eine Woge tiefster Verzweiflung schwappte über mich hinweg. Selbst wenn ich es wie durch ein Wunder schaffte, meine Fesseln zu lösen, bevor der Countdown zu Ende lief, würde mir das nichts bringen. Wenn Mr. K mich im Auge behielt,würde er wissen, wann ich freikam. Bestimmt war er irgendwo in der Nähe und konnte jeden Moment hereinkommen.
Als mir die Ausweglosigkeit meiner Lage bewusst wurde, lief es mir eiskalt den Rücken hinunter. Ich war erledigt, am Ende. Jetzt blieb nur noch die Frage, wie lange es noch dauerte, bis ich sterben würde.
Einundzwanzig Jahre vorher
17. August 1989
»Man hat es als Notwehr durchgehen lassen«, sagte Herb. »Es
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