Mr Monk besucht Hawaii

etwas Spirituelles und Ehrerbietiges war – und mit Sicherheit nicht die hawaiianische Antwort auf »Baby One More Time«.
    Der Mann mit der Fackel bewegte sich so flink und so geschickt auf den scharfkantigen und rutschigen Felsen, dass es fast schon etwas Überirdisches hatte. Er hielt an der Spitze des Felsens an, entzündete eine dort fest montierte andere Fackel, dann sprang er ins Wasser. Auf diese Weise wurde der Glaube symbolisiert, dass dieser Punkt die Stelle war, von der die Seelen in die nächste Welt reisten – ich hatte das im Reiseführer gelesen.
    Wenn das stimmte, gab es für Swifts Entscheidung, seine Sendung im Grand Kiahuna Poipu zu produzieren, vielleicht nicht nur marktstrategische Gründe. Wenn er tatsächlich mit den Geistern sprechen konnte, dann war es sicher nicht verkehrt, das Studio in der Nähe eines Tors zum Jenseits anzusiedeln.
    Es wurde sehr schnell dunkler, und ich wäre gern noch länger geblieben. Monk aber war zu ungeduldig dafür und ging ohne mich in Richtung des Apartmentgebäudes los.
    Ich beeilte mich, ihn einzuholen.
    »Warum sind Sie so unruhig?«, fragte ich.
    »Das lösen Morde nun mal bei mir aus.«
    »Wissen Sie, wie Lance es gemacht hat?«
    »Nein.«
    »Aber Sie wissen irgendetwas , richtig?«
    »Ich weiß immer irgendetwas. Das ist nicht das Problem. Was stört, ist das fehlende Irgendetwas zwischen dem Irgendetwas, das ich weiß oder zu wissen glaube. Und das Irgendetwas, das noch kein Irgendetwas ist, bei dem ich mir sicher bin, dass es das noch werden wird.«
    Was mich erschreckte, war die Tatsache, dass ich ganz genau wusste, was er damit sagen wollte. Ich war mir nicht sicher, was das über meine psychologische und emotionale Gesundheit aussagte, aber etwas Gutes konnte es nicht sein.
    Vor der Tür zu Roxannes Apartment blieben wir stehen. Es gab keine Klingel, sondern nur eine Kachel mit der aufgemalten Bitte, die Schuhe hier auszuziehen, um nicht den roten Staub nach drinnen auf den Teppichboden zu tragen. Mahalo.
    Monk klopfte an, ein paar Sekunden darauf öffnete Roxanne Shaw einen Spaltbreit die Tür. Sie trug ein Bikinioberteil und Jeansshorts.
    »Ja?«, fragte sie.
    »Guten Abend, Miss Shaw. Ich bin Adrian Monk, und dies ist Natalie Teeger. Wir arbeiten mit der Polizei zusammen, um den Mord an Helen Gruber aufzuklären.«
    »An wem?«, antwortete sie und gab sich Mühe, ratlos zu wirken.
    »An der Frau Ihres Geliebten Lance Vaughan alias Curtis Potter. Wir wissen, dass er hier ist. Das hier neben der Fußmatte sind seine Sandalen.«
    Sie sah hinunter auf die Flipflops, und ehe sie sich eine Lüge ausdenken konnte, tauchte Lance hinter ihr auf, der Shorts, aber kein Hemd trug.
    Mir stockte der Atem. Normalerweise können mich Muskelprotze nicht beeindrucken, doch er war einfach vollkommen – muskulös, aber nicht zu viele Muskeln. Er war unglaublich attraktiv, solange er kein Wort sprach, aber der Zauber war sofort verflogen, als er den Mund aufmachte.
    »Es ist nicht so, wie es wohl aussieht«, erklärte er. »Wir haben uns auf dem Katamaran kennengelernt, und heute Abend sind wir uns am Strand erneut begegnet. Sie hat mich zum Abendessen eingeladen, und ich wollte in meiner Trauer nicht allein sein.«
    »Ersparen Sie uns die Lügen, Lance«, gab ich zurück. »Wir haben Sie beide gestern Abend zusammen gesehen. Wir wissen, sie kommt aus Cleveland und war Helens Friseurin bei Rose .«
    »Die beiden kennen sich schon viel länger«, sagte Monk. »Lance und Roxanne sind seit ihrer Teenagerzeit ein Liebespaar.«
    »Woher wissen Sie denn das?«, fragte Roxanne.
    »Mein Gott, Roxy. Kannst du bitte denken , bevor du was sagst?«, stöhnte Lance auf. »Er hat doch nur geraten.«
    »Keineswegs. Ihre gemeinsame Vergangenheit zeigt sich an Ihren Tätowierungen. Sie haben den Stacheldraht um Ihr linkes Handgelenk tätowieren lassen, als Sie achtzehn waren, aber rechts haben Sie das nicht.«
    »Nicht schon wieder«, warf Lance ein.
    »Miss Shaw hat die gleiche Tätowierung an ihrem rechten Fußgelenk. Beide zusammen symbolisieren die Liebe, die Sie miteinander verbindet.«
    Ich sah nach unten und bemerkte erst jetzt das Tattoo an ihrem Fußgelenk. Ich nahm mir vor, in Zukunft meine Augen aufzumachen.
    Ein Paar etwa im gleichen Alter wie Lance und Roxanne ging an uns vorbei zum Apartment gleich nebenan. Die beiden trugen seidene Hawaiihemden und Shorts.
    »Vielleicht sollten Sie besser reinkommen«, sagte Roxanne zu uns, machte die Tür weiter auf und ging zur