Mr Monster
bekommen hatte, lag die Tote seltsam gekrümmt auf dem Tisch. Als Erstes muss man sich natürlich vergewissern, dass der Kunde auch wirklich tot ist, denn nach der Behandlung ist er es auf jeden Fall. Also klärt man das besser vorher.
In einer Schublade bewahrten wir einen kleinen Make-up-Spiegel auf, den ich vor die Nase der Toten hielt. Bei einem lebenden Menschen, selbst wenn er im Koma liegt, beschlägt der Spiegel. Ich zählte bis zwanzig, doch der Spiegel blieb blank. Es atmete nicht. Also legte ich den Spiegel zurück und holte eine kleine Nähnadel, die dünn, aber lang genug war, um sie gut anfassen zu können. Damit stach ich auf die Fingerspitzen – nicht tief genug, um die Haut zu durchstoßen, aber fest genug, um die Nerven anzuregen und eine unwillkürliche Reaktion hervorzurufen. Nichts rührte sich, es war tot.
Schließlich rollte ich einen beweglichen Ausguss herbei, eigentlich nur einen Eimer auf einem Gestell mit Rädern, und schob ihn unter Mrs. Soders Kopf. Der zweite Schritt beim Einbalsamieren ist das Waschen der Leiche, und dabei sind die Haare am wichtigsten, weil man sie so gut sehen kann. Es kam mir so vor, als wären diese Haare schon lange nicht mehr gewaschen und gebürstet worden, aber das sollte mir nur recht sein. Noch mehr Zeit für mich. Wir hatten an den Wasserhahn in der Wand einen dünnen Gummischlauch angeschlossen, den ich entrollte, um die Haare anzufeuchten. Für Leichen benutzten wir kein besonderes Shampoo, sondern das gleiche, das wir auch für uns selbst kauften. Davon tropfte ich ein wenig auf die Stirn dicht am Haaransatz. Dann wusch ich die Haare.
»He, John.« Mom stürmte in ihrem grünen Operationskittel herein. Sie machte schon wieder so ein nervöses Gesicht – die Augen ein wenig geweitet, den Mund leicht geöffnet, die Zähne zusammengebissen –, doch sie bewegte sich locker und fast lässig. Manchmal glaube ich, sie genoss es, nervös zu sein, und verhielt sich sogar so, wenn sie entspannt war. »Tut mir leid, dass ich dich so lange allein gelassen habe. Ron hatte ein neues Formular vom Bundesstaat dabei, das ich noch nicht kannte.«
»Kein Problem«, erwiderte ich.
Mom hielt inne, wandte sich zu mir um und musterte mich mit scharfem Blick. »Geht es dir nicht gut?«
»Doch«, antwortete ich. »Es hatte schmutzige Haare, und ich dachte, das erledige ich zuerst.«
»Sie«, widersprach Mom. »Sie hatte schmutzige Haare.«
»Sie«, wiederholte ich. »Entschuldige.«
Ich nannte Leichen immer es , weil … na ja, es liegt doch auf der Hand. Sie sind tot. Anscheinend haben normale Menschen in dieser Hinsicht Vorbehalte. Zu dumm, dass ich es immer wieder vergaß.
»Wo ist Margaret?«, erkundigte ich mich.
»Ich habe ihr gesagt, sie soll sich nicht die Mühe machen. Dies ist ein leichter Fall, das schaffen wir zwei allein, und sie kann unterdessen mit der Familie zusammen die Beerdigung organisieren.«
»Ist das nicht eher deine Aufgabe?«
»Vielleicht will ich einfach nur etwas mehr Zeit mit meinem Sohn verbringen.« Es klang fast barsch, doch ich hatte inzwischen gelernt, dass sie manchmal auf diese Weise scherzte. »Hättest du nicht gedacht, was?«
Ich sah sie an. »Mein liebster Teil des Familienlebens besteht darin, gemeinsam Körperhöhlen zu entlüften. Und deiner?«
»Ich mag es am liebsten, wenn du nicht wie ein Klugscheißer redest.« Sie holte eine Dose Desinfektionsspray aus einem Regal. »Achte auf Milchschorf. Sie hat fast zwei Wochen im Krankenhaus gelegen, und wer weiß, ob sie ihr auch nur ein einziges Mal die Haare gewaschen haben.«
Ich teilte die Haare und forschte nach, ob es – sie – auf der Kopfhaut irgendwelche Ablagerungen hatte.
»Da ist eine Art Kruste.«
»Milchschorf«, erklärte Mom. »Talg und abgestorbene Hautstücke. Schwer zu entfernen. Versuch mal das hier.« Sie sprühte den Bereich mit dem Desinfektionsmittel ein. »Das sollte den Milchschorf lösen. Bürste einfach weiter.«
Ich drückte etwas fester und kratzte langsam den Dreck von der Kopfhaut ab. Nach ein paar Minuten wirkte das Spray, und ich konnte die Krümel ausbürsten. Als die Haare weitgehend sauber waren, spülte ich abermals mit Wasser nach und weichte sie dieses Mal noch gründlicher ein, um auch die Reste herauszuwaschen.
Ich bürstete genau im Takt meines Herzschlags, langsam und gemessen. Zum ersten Mal seit Wochen war ich völlig ruhig. Das Einbalsamieren war ein Job wie jeder andere, doch die Menschen, die damit ihren Lebensunterhalt
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