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Mr Monster

Mr Monster

Titel: Mr Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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mit der Pumpe, die Mom herbeirollte. Auf die Kanüle in der Vene kam ein Schlauch, der zum Abfluss im Boden führte.
    Dann schaltete Mom die Pumpe ein. Sie drückte eine Mischung aus Reinigungs-und Konservierungsmitteln sowie Duftstoffe und Färbemittel durch die Blutgefäße und schwemmte dabei so viel altes Blut wie möglich in den Abfluss. Ich blickte zum Ventilator hinauf, der sich über uns drehte.
    »Hoffentlich lässt er uns nicht gerade jetzt im Stich«, sagte ich. Mom lachte. Das war ein Scherz – unser alter Ventilator war schon ziemlich klapprig gewesen, und die Chemikalien, die wir beim Einbalsamieren benutzten, waren so giftig, dass wir immer nach draußen gegangen waren, während die Pumpe lief. Der Ventilator war tatsächlich niemals ausgefallen, doch Margaret hatte jedes Mal genau diese Befürchtung geäußert. Nach der vielen Arbeit im Winter hatten Mom und Margaret einen Teil ihrer Einnahmen in ein neues Belüftungssystem gesteckt. Der neue Ventilator war hochmodern und zuverlässig, aber wir machten immer noch die gleichen Scherze darüber. Es war schon fast ein Ritual.
    Das Einbalsamieren der Körperhöhlen dient dem gleichen Zweck wie das Spülen der Arterien. Man drückt die alten Flüssigkeiten hinaus und lässt neue hineinlaufen, um Bakterien zu töten und den Verfall lange genug aufzuhalten, damit die Leiche aufgebahrt werden kann und die Beerdigung anständig über die Bühne geht. Beim Einbalsamieren der Blutgefäße kann man sich die Arbeit erleichtern und das natürliche Kreislaufsystem benutzen, doch wenn man die Körperhöhlen behandelt, muss man sich nacheinander um viele einzelne Organe und miteinander unverbundene Hohlräume kümmern. Wir erledigten diese Arbeit mit einem Gerät, das Trokar hieß – im Grunde handelt es sich dabei um einen langen Ansaugstutzen mit einer Schneide am Ende, der mit einer Vakuumpumpe verbunden ist. Mit dem Trokar punktierten wir den Körper und holten die Schmiere heraus. Sobald wir alles abgesaugt hatten, reinigten wir den Trokar und setzten ihn auf einen anderen Schlauch, um eine Chemikalienmischung in den Körper fließen zu lassen, die jener ähnelte, die wir für die Arterien verwendet hatten.
    Der Trokar war ein höchst praktisches Werkzeug. Ich hatte sogar mal einen benutzt, um Mr. Crowley zu töten.
    Ich brachte den Vakuumschlauch an, während Mom ein zweites züchtiges Handtuch auf die Tote legte und dann beide hin und her schob, bis der Bauch zugänglich war. Ich legte die Hand auf den Bauch, fühlte die grobe, faltige Haut und suchte nach der richtigen Stelle, um den Trokar einzuführen. Am besten setzt man ein paar Zentimeter nach rechts verschoben über dem Bauchnabel an. Ich spannte die Haut mit gespreizten Fingern, drückte die Spitze des Trokars auf die richtige Stelle und nahm den Einschnitt vor – zuerst nur ein wenig, um die Haut zu öffnen, bis die Klinge richtig griff, dann tiefer in den Bauch hinein und schließlich energisch, um erst eine und dann eine weitere Muskelschicht zu durchstoßen. Es blubberte rot aus dem Loch heraus, doch die Flüssigkeit verschwand sofort, als ich den Absauger mit einem Knopfdruck in Gang setzte. Die Pumpe war nicht stark genug, um Organe zu beschädigen, doch sie entfernte alle Flüssigkeiten, Gase und sogar kleine Nahrungsreste im Magen und im Darm. Ich fuhrwerkte im Körper herum und lauschte dem Gurgeln, als die Körperflüssigkeiten durch den Schlauch glitten.
    Das war gut. So sollte das Leben sein: Einfache, friedliche Menschen erledigten Aufgaben, die sie glücklich machten. Die Schwierigkeiten der letzten Wochen waren im Nu vergessen, und ich war völlig ausgeglichen. Die Welt war, wie sie sein sollte, und ich musste unwillkürlich lächeln.
    Ich konnte es schaffen, ja. Nicht nur das Einbalsamieren, sondern das ganze Leben. In diesem Augenblick hatte ich das Gefühl, alles im Griff zu haben. Alles kontrollieren zu können. Sogar Mr. Monster schien zu verblassen, bis er so klein war, dass ich ihn beinahe vergessen hätte. Warum hatte ich mir solche Sorgen gemacht? Ich war stark, ich war Herr meiner Gedanken, es würde nichts Böses geschehen. Ich stellte für niemanden eine Bedrohung dar.
    Dann dachte ich wieder an Brooke und an Max’ Worte. Vielleicht hatte er recht – vielleicht war es Zeit, sie mal einzuladen. Ich mochte sie, und offensichtlich mochte sie mich auch – wo also lag das Problem? Ich hatte Jahre damit verbracht, mich darauf zu trainieren, normal auszusehen und zu handeln.

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