Mr Monster
Mitternacht zu Hause sein.«
»Hast du dein Handy dabei?«, fragte er.
»Ja.«
»Und du rufst doch an, wenn …«
»Ich rufe an, wenn wir uns verlaufen oder so.«
»Und du rufst die Polizei, wenn …«
»Wenn wir Drogen sehen oder wenn jemand eine Schlägerei anfängt.«
»Oder wenn er dich zu küssen versucht«, sagte er. Brooke lief schon wieder knallrot an, und Mr. Watson zwinkerte mir zu. »Held oder nicht, du gehst jetzt mit meinem Baby aus.«
»Verdammt noch mal«, murmelte Brooke. Sie packte mich am Arm und zerrte mich zum Auto. »Lass uns fahren. Mach’s gut, Dad.«
»Mach’s gut, Moppel!«, rief er.
»Er nennt dich Moppel?« Brooke war gertenschlank.
»So hat er mich als Baby genannt.« Sie schüttelte den Kopf, doch ich sah, dass sie lächelte. Wir gingen zur Beifahrerseite herum und blieben stehen.
Wir standen einfach nur da.
Auf einmal wurde mir klar, worauf sie wartete. Ich sollte ihr die Tür aufhalten. Zuerst warf ich ihr einen raschen Blick zu, dann starrte ich die Tür an. Das war ihre Tür. Ein Gegenstand, den ich niemals berührte. Ein zweiter rascher Blick verriet mir, dass sie die Brauen runzelte – sie war verwirrt. Was würde sie denken, wenn ich noch länger zögerte oder es ihr überließ, die Tür zu öffnen? Sie hatte bemerkt, dass ich erst sie und dann die Tür angesehen hatte. Wenn ich nicht wie ein Volltrottel dastehen wollte, konnte ich nicht so tun, als wisse ich nicht, worum es ging, oder als hätte ich einfach nur schlechte Manieren. Also öffnete ich ihr die Tür und stellte mir dabei vor, wie oft sie die Tür berührt hatte, wie oft ihre Finger den Türgriff angefasst hatten. Sobald der Spalt groß genug war, ließ ich den Griff los und hielt die Tür am oberen Rahmen fest, um sie ganz aufzuziehen.
»Stimmt was nicht mit dem Griff?«, fragte sie.
Zum Glück fiel mir etwas ein. »Ich habe vorhin eine Wespe bemerkt. Ich glaube, sie wollte dort ein Nest bauen.«
»Das ist aber eine komische Stelle«, erwiderte sie.
»Das findest du nur, weil du keine Wespe bist.« Ich hielt die Tür auf, bis sie saß. »Bei den Wespen ist das neuerdings schwer in Mode.«
»Du bist natürlich absolut im Bild darüber, was bei Wespen gerade in Mode ist.« Sie lächelte boshaft.
»Ich habe es in ihrer Zeitschrift gelesen«, erklärte ich. »Natürlich habe ich die nicht selbst gekauft, es war beim Friseur. Entweder die oder Elch Aktuell – und irgendetwas musste ich ja lesen.«
Brooke lachte, und ich schloss die Tür. Wie lange konnte ich damit noch weitermachen? Es war jetzt sechs Uhr abends, und ihr Dad wollte, dass sie um Mitternacht wieder nach Hause käme. Sechs Stunden?
In einer großen Menge verborgen, fiel es mir leicht, normal zu wirken. Doch bei der Begegnung mit einem einzelnen Menschen war es harte Arbeit.
Ich lief um den Wagen herum und stieg ein.
»Komisch, gleich ein großes Feuer zu sehen, das du nicht gelegt hast«, sagte Brooke.
Der Schreck fuhr mir in die Glieder. Was wusste sie? Was hatte sie gesehen? Es hatte so beiläufig geklungen, aber … vielleicht verbarg sich in ihren Worten eine Bedeutung, die ich nicht erfasste. Machte sie mir Vorwürfe? Drohte sie mir?
»Was meinst du damit?« Ich starrte geradeaus.
»Oh, du weißt doch, die großen Feuer, die die Crowleys bei den Nachbarschaftsfesten immer in ihrem Hinterhof gemacht haben. Du hast dich immer um das Feuer gekümmert.«
Erleichtert seufzte ich auf. Sie weiß nichts, sie will sich nur unterhalten.
»Stimmt was nicht?«, fragte sie.
Ich ließ den Motor an und lächelte. »Nein, alles bestens.« Ich brauche schnell eine Entschuldigung. Was würde ein normaler Mensch in einer solchen Situation sagen? Normale Menschen sind empathisch, sie würden auf die gerade erwähnten Personen reagieren, nicht auf das Feuer. »Ich hab gerade an die Crowleys gedacht. Ich frage mich, ob Mrs. Crowley noch einmal an so einem Fest teilnimmt.« Dann fuhr ich an und lenkte das Auto in Richtung Stadt.
»Oh!«, sagte Brooke. »Es tut mir leid, ich wollte das nicht wieder aufwühlen. Ich weiß ja, wie nahe dir Mister Crowley stand.«
»Schon gut«, beruhigte ich sie. Es kostete mich große Überwindung, frei und unbefangen mit ihr zu plaudern, denn das verstieß gegen alle meine Regeln. »Jetzt ist er fort, und ich glaube, ich habe ihn überhaupt nicht richtig gekannt.« Niemand kannte ihn. Nicht einmal seine Frau.
»So geht es mir auch«, sagte Brooke. »Ich habe mein Leben lang hier gewohnt und er da drüben, zwei
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