Mr Monster
es war verrammelt wie die Küche. War denn das ganze Haus derart gesichert?
»Nun gewinnt die Verzweiflung die Oberhand.« Forman kam immer näher. »Dein Plan gelingt nicht, oder ich mache dir Angst – vielleicht auch beides. Wie auch immer, du hast keine Möglichkeiten mehr.«
Hätte ich mich bei meinem ersten Besuch nicht so sehr auf Stephanies Folterungen konzentriert, dann hätte ich die Gitter vor den Fenstern sofort bemerkt. Was war mir sonst noch entgangen? Ich drehte mich hastig um und suchte nach irgendeinem Hilfsmittel, das ich benutzen konnte, um zu fliehen oder mich zu wehren. In einer Ecke stand ein kleiner Schrank, dem jedoch die Tür fehlte, und der Stapel Kartons darin war zu klein, um mich dahinter zu verbergen. Ich konnte die Schubladen der Kommode durchwühlen, doch er war jetzt ganz nahe – er würde alles hören, was ich tat. Verzweifelt und aufgeregt sah ich mich nach etwas Brauchbarem um. Die Matratze war alt, die einsame Glühbirne ausgeschaltet, die Rückwand bestand aus neuen, kahlen Rigipsplatten. Da war ein …
In der Wand waren Augen.
Etwas oberhalb meiner Augenhöhe entdeckte ich ein Loch, durch das zwei Augen spähten. Erschrocken fuhr ich zurück und wäre fast hingefallen. Dort lauerte nicht Forman – es war jemand anders, schmutzig und reglos. Ich hielt inne und wartete darauf, dass sich die Augen bewegten oder die Person den Kopf schüttelte, auf irgendein Lebenszeichen. Die Augen blinzelten und schimmerten. Tränen.
Es war eine weitere Gefangene. Forman hatte die neue Wand um jemanden herum eingebaut und nur einen Augenschlitz frei gelassen, von dem aus seine Folterstation auf der anderen Seite gut zu erkennen war. Die Frau hinter der Wand, stumm und eingesperrt, war gezwungen gewesen, alles mit anzusehen, was Forman in der vergangenen Nacht mit Stephanie angestellt hatte.
Außerdem hatte sie beobachtet, was ich in dem Raum getan hatte.
»Überraschung.« Auf einmal stand Forman in der Tür und zielte mit der Pistole auf mich. »Oder sogar ein Schock. In diesem Raum befinden sich die beiden Dinge, die dich am stärksten erschrecken. Aber anscheinend findest du es nicht sonderlich anregend.«
»Wer ist sie?« Ich deutete auf die Augen.
»Ein Experiment«, erklärte Forman. »Gewissermaßen eine Verbesserung des Verlieses, eine Verstärkung.«
»Was soll sie denn verstärken?«
»Zwei Opfer zum Preis von einem«, sagte Forman. »Unten kann ich natürlich eine ähnliche Wirkung erzielen, aber wenn eine von ihnen tatsächlich in der Wand gefangen ist, kommt ein Hauch von Verzweiflung hinzu, den ich auf andere Weise nicht erzielen kann. Du musst nämlich wissen, ich bin so etwas wie ein Feinschmecker.«
»Beim Foltern?«
»Von Emotionen, John. Das Foltern ist die Methode, nicht das Ziel.«
Emotionen. So hatte er meinen Weg durch das Haus verfolgt, und deshalb hatte er mich am Vorabend so gut durchschauen können. Er konnte mich nicht bloß gut einschätzen, sondern spürte meine Gefühle. Im Auto hatte er Angst gehabt, weil ich Angst gehabt hatte, und nachdem er Stephanie in der letzten Nacht gefoltert hatte, war er am Ende gewesen, weil er ihre Angst empfunden hatte – und zugleich auch die Gefühle der Frau in der Wand.
»Das Verstehen dämmert«, meinte Forman. »So langsam reimst du dir alles zusammen.«
»Sie fühlen, was wir fühlen.«
Er nickte lächelnd.
»Konnte das auch der andere Dämon? Mahai oder wie Sie ihn nannten?«
»Mkhai«, berichtigte er mich. »Nein, das konnte er nicht. Denn wenn er es gekonnt hätte, dann hättest du ihn nicht töten können. Er hätte gewusst, dass du kommst, noch bevor du ihn erreicht hättest.«
»Können Sie Gedanken lesen?«
»Nein, es hat nichts mit Gedankenlesen zu tun, John. Es geht um Gefühle – ich spüre, was du empfindest.« Er tat einen Schritt auf mich zu, die Waffe drohend erhoben. »Ich spüre die Vorahnung, wenn jemand in der Nähe auf etwas wartet. Wenn jemand erregt ist. Dann empfinde ich ein wenig Furcht und weiß, dass der Betreffende auf etwas Gefährliches wartet. Nehme ich etwas Dunkles wahr wie Hass oder Zorn, dann weiß ich, dass der Betreffende jemandem wehtun will, weil ich mich auf einmal so fühle, als wollte ich jemandem wehtun. Es bedeutet auch, dass ich es im gleichen Moment wie du spüre, falls du jemals planst, das Ding da gegen mich einzusetzen.« Er deutete mit dem Lauf der Waffe auf das Schälmesser, das ich in der Hand hielt.
Ich betrachtete es und legte es wieder auf die
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