Mr Monster
zwischenmenschlichen Kontakte eingeschränkt –, dieses Zimmer nie zu betreten. Genau dadurch waren aber meine Vorstellungen so bedeutsam geworden und hatten immer wieder triumphiert. Es war gleichzeitig eine Privathölle und ein unerreichbares Ideal. Es war alles, was ich mir immer versagt hatte, und dadurch unweigerlich auch das, was ich immer schon gewollt hatte.
Stephanie atmete keuchend und unter Schmerzen. Wahrscheinlich machte ihr die unnatürliche Stellung der Arme Schwierigkeiten und behinderte die Atmung. Immerhin kamen die Atemzüge gleichmäßig und ruhig. Sie lebte noch, und da sie weder auf mein Eintreten noch auf meine laute Unterhaltung mit den Frauen im Keller reagiert hatte, schlief sie vermutlich tief. Ich näherte mich ihr und betrachtete sie genauer. Die Bluse hatte kurze Ärmel, auf den Armen hatte die Frau rote Male – flache Schnitte und böse hellrote Brandwunden. Ich beugte mich vor und erspähte durch den Vorhang der Haare ihr Gesicht. Es war geschwollen und voller blauer Flecken, die Nase war nach Formans Angriff in der Wache gebrochen.
Ich schloss die Augen, als ich mich an ihre Schreie erinnerte.
Nur wenige Schritte entfernt stand eine Kommode mit einer Werkzeugsammlung. Es waren keineswegs die ordentlich aufgereihten Folterwerkzeuge, die man in Agentenfilmen immer sieht, sondern eine bunte Sammlung von Küchenmessern und anderen Gegenständen: Schraubenzieher, verschiedene Zangen, ein Hammer. Ein Nadelkissen voller Nadeln und seltsamerweise auch ein Bündel Wunderkerzen. Ich nahm eine Kombizange in die Hand. An den Backen hing etwas Schwarzes, Ausgefranstes. Ich legte sie wieder weg und nahm ein Schälmesser. Die kurze Klinge war mit mehreren getrockneten Blutschichten bedeckt, als hätte sie hundert Opfer geschnitten und sei nie gesäubert worden.
Stephanie hing reglos an den Seilen. Völlig still wie eine Leiche. Ich näherte mich dem Körper mit erhobenem Messer, als wolle ich ein Opfer darbringen. So viele Träume …
Unten knirschte der Kies, und ich schaute jäh auf.
»John!«, rief die Frau im Keller.
Ich ließ das Messer fallen und tat einen Schritt zur Tür, dann hielt ich inne, kehrte zurück und schnappte mir abermals das Messer. Ich wusste nicht, ob ich damit gegen einen Dämon etwas ausrichten konnte, doch es war besser als gar nichts. Wenn ich Glück hatte, konnte ich sogar fliehen, ohne mich ihm stellen zu müssen.
So leise wie möglich schlich ich durch das Haus und hoffte, die Dielenbretter würden nicht quietschen. Es musste doch einen Hinterausgang geben. Zuerst fand ich ein weiteres Schlafzimmer, das wahrscheinlich Forman benutzte. Auch dieser Raum war nur spärlich möbliert, doch immerhin gab es einen Schrank voller guter Anzüge und sauberer weißer Hemden. Dahinter lag das Bad. Die Fliesen waren gesprungen und voller Schimmel, und wieder dahinter lag ein weiteres Zimmer, das jedoch abgeschlossen war. Einen Hinterausgang gab es nicht. Ich konnte mich in irgendeinem Raum verstecken und warten, bis er wieder ging – aber nein, sobald er das Haus beträte, würde er bemerken, dass ich geflohen war. Die geborstene Schranktür fiele ihm sofort auf, und sobald ihm klar wäre, dass ich draußen war, würde er mich suchen.
Die Haustür öffnete sich, ich hörte die Schlösser und Schlüssel klirren, und dann rief Forman: »Dachtest du wirklich, du könntest entkommen, John?« Er hielt kurz inne. »Das war eine neue Tür, John. Jetzt muss ich wohl eine Stahltür einsetzen.«
Er hatte zu reden begonnen, bevor er überhaupt das Haus betreten hatte. Er hatte gewusst, dass ich geflohen war, bevor er die Tür gesehen hatte. Wie war das möglich?
»Bist du verwirrt, John? Das ist kein Wunder. Haben die Spielsachen dich nicht gewarnt, dass niemand je entkommen kann?«
Leise schlich ich zurück zu dem Raum, in dem Stephanie bewusstlos an der Wand hing. Dort gab es ein Fenster; vielleicht konnte ich es öffnen und hinausklettern, bevor er mich erreichte.
»Ah«, sagte Forman. »Hoffnung. Ja, da spüre ich eine starke Hoffnung. Es ist lange her, dass hier jemand so etwas empfunden hat.« Er war noch mehrere Räume entfernt, näherte sich aber rasch. »Wenn du Hoffnung hast, dann hast du einen Plan, aber du bist nicht annähernd wütend genug, um mich anzugreifen, und das bedeutet, dass du zu fliehen hoffst. Nein, es gibt keine Hintertür, und die Fenster kommen auch nicht infrage. Was bleibt dann noch?«
Ich huschte in Stephanies Zimmer und blickte zum Fenster –
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