Mr. Peregrines Geheimnis: Roman (German Edition)
Bürotürme der Innenstadt nur durch die hohen Zypressen verdeckt wurden, die seine neue Schule wie eine große, grüne Mauer umgaben. Hinter diesen, nur ein paar Hundert Meter entfernt, befand sich auch das Einkaufszentrum mit dem Spiegelgeschäft. Darwen drückte seine Nase ans Autofenster und versuchte, durch die Bäume hindurch einen Blick darauf zu erhaschen, aber in dem Moment sagte seine Tante auch schon: »Da wären wir.« Ihre Stimme klang so bedeutungsschwer, als ob sie ihm ein besonders beeindruckendes Geburtstagsgeschenk präsentierte.
Beeindruckend, dachte Darwen, und das war genau das richtige Wort.
Vor sich sah er eine lange, beeindruckende Zufahrt und einen Parkplatz inmitten makelloser Rasenflächen, geschmückt von beeindruckenden Statuen, und eine ebenso beeindruckende Freitreppe aus breiten, steinernen Stufen, die zum beeindruckenden Haupteingang emporführten. Die Schule war groß, vor allem, wenn man bedachte, dass es in den Klassenstufen sechs, sieben und acht insgesamt nur etwa neunzig Schüler gab.
Überhaupt wirkte das ganze Gebäude wie ein großes Herrenhaus, wenn nicht gar wie ein Palast. Auf beiden Seiten des Haupteingangs erhoben sich elegante, weiße Säulen, und es unterschied sich so grundsätzlich von der schäbigen, kleinen Schule, die er zuvor besucht hatte, wie es überhaupt nur möglich war.
Seine Tante beobachtete ihn und nagte an ihrer Oberlippe.
»Es ist toll«, brachte er heraus. »Sehr … schön.«
Damit hatte er offenbar das Richtige gesagt, denn sie lachte erleichtert. Darwen unterdrückte die Bemerkung, dass ihn die Schule einschüchterte und dass er vermutlich ebenso gut nach Hillside passte wie eine Kröte in eine Zahnarztpraxis. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als dass Tante Honoria das Auto wendete, aufs Gas trat und alle Geschwindigkeitsbeschränkungen missachtete, um ihn hier so schnell wie möglich wegzubringen.
Aber stattdessen prüfte sie im Taschenspiegel schnell Frisur und Make-up, und Darwen betrachtete noch einmal eingehend seine neue Schule. Sicher, sie wirkte irgendwie alt, aber gleichzeitig war sie so sehr auf Hochglanz poliert, wie alte Dinge es in England selten waren. Wie um alles in der Welt würde er hier zurechtkommen?
Wenig später schritten sie die Stufen hinauf und betraten eine weite, düstere Eingangshalle. Auch dort stand eine große Marmorstatue: Zwei Kinder sahen zu einem alten Mann mit sentimentalem Gesichtsausdruck auf, der ein Buch in den Händen hielt. Auf dem Messingschild am Sockel stand in Großbuchstaben LERNEN .
Fast im selben Augenblick, in dem eine Glocke mit lautem, durchdringendem Ton schlug, als wollte sie das Ende der Welt ankündigen, öffneten sich auf der Westseite der Eingangshalle zwei Türen. Darwen erhaschte einen Blick auf mehrere Reihen von Schülern, die in absolutem Schweigen aus ihren Klassenräumen kamen. Sie alle trugen grüne Blazer, weiße Hemden und goldverbrämte, grüne Schlipse; die Jungen zudem graue Hosen, die Mädchen entsprechende knielange Röcke. Und sie gingen nicht einfach nur, das sah Darwen jetzt, sie marschierten . Hinter ihnen rief jemand »links, rechts, links, rechts«, damit sie im Gleichschritt blieben.
Das soll ja wohl ein Witz sein, dachte Darwen.
Er sah rasch zu seiner Tante hinüber, aber sie betrachtete die Schülerarmee, die nun an ihnen vorbeimarschierte, als sei es das Großartigste, was sie je gesehen hatte. Er wandte sich wieder den Kindern zu, versuchte Blickkontakt aufzunehmen, aber niemand erwiderte diesen – alle hielten die Augen starr auf den Kopf des Vordermanns gerichtet. Alle außer einem Mädchen, das ungefähr in seinem Alter war und das als Einzige nicht im Gleichschritt ging. Sie sah ihn prüfend an, als sie vorübertänzelte, und dann weiteten sich ihre Augen, als sie ihn erkannte. Es war das Mädchen aus dem Einkaufszentrum, das ihm am Tag zuvor gesagt hatte, wie unhöflich er sei, nachdem er ihre Mutter beinahe umgerannt hatte.
»Sie sind so erwachsen!«, schwärmte seine Tante, als die letzten Schüler an ihnen vorübergegangen und in einem großen Saal, wohl der Aula, verschwunden waren.
»Sie sehen aus, als wollten sie gerade in einen Kleinstaat einmarschieren«, murmelte Darwen.
Seine Tante nickte lächelnd.
»So diszipliniert«, seufzte sie. »O Darwen, das hier ist genau das, was du brauchst: die perfekte Grundlage für eine große Zukunft.«
Darwen hegte den Verdacht, dass dieser Satz aus einem Werbeprospekt der Hillside Academy
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