Mr. Peregrines Geheimnis: Roman (German Edition)
untersuchte es genau. Vorsichtig hob sie es an ihr Ohr und schüttelte es so sanft, als hielte sie ein Weihnachtspaket in der Hand und wollte wissen, was es enthielt.
»Hört sich ganz okay an«, sagte sie. »Vielleicht hast du es gar nicht kaputtgemacht. Vielleicht muss es nur noch einmal neu eingestellt werden.«
Sie schaltete den Apparat aus, zog ihn ein wenig auf und schaltete ihn wieder an. Schon pulsierte die Energie erneut, und die Luft begann zu flimmern.
»Das war’s«, sagte sie.
»Das ist ja toll!«, rief Darwen, und der kleine Erfolg überstrahlte kurz die eben erlebten Schrecken.
Auf dem Bahnhof regte sich nichts – Darwen und Alexandra hatten sich sehr sorgfältig vergewissert, ob das auch wirklich so war, bevor sie ausstiegen –, und das Portal dahinter öffnete sich ohne Schwierigkeiten. Erst auf ihrem Weg von der Hügelkuppe durch den Wald hörten sie sehr lauten Maschinenlärm.
Vorsichtig bahnten sie sich einen Weg hinunter zum Spiegelrahmen und entdeckten dabei eine ganze Gruppe von Knatschern, die eine aufwendige Konstruktion aus mehreren Balken errichteten. Zusätzlich zu dem dampfbetriebenen Traktor, den sie bereits gesehen hatten, gab es nun noch zwei andere große Mechanismen; aber was hier gebaut wurde, konnte Darwen nicht sagen.
Es war auf alle Fälle groß, so groß wie ein Haus, und die Arbeiten machten so viel Lärm, dass sie vermutlich auch ohne den Tarnschirm unbeobachtet zum Spiegel hätten zurückkehren können. Trotzdem war Darwen, als er die kopflosen Gestalten mit großen Schritten umherspringen sah und wie sie sich nach Gorillaart mit den Handknöcheln voranschoben, froh, dass ihr Abenteuer für diese Nacht vorüber war.
Er half Alexandra in die Portula, dann schwang er sich selbst hindurch, und als er wieder in seinem eigenen Wandschrank saß, spürte er eine so große Erleichterung, wie er sie nie zuvor in seinem Leben empfunden hatte.
Alexandra hatte schon die Hand auf der Klinke seiner Zimmertür, als er noch etwas sagte. Er hatte es nicht beabsichtigt, es brach einfach so aus ihm heraus.
»Meine Eltern …«, begann er.
»Was ist mit ihnen?« Alexandra wandte sich wieder zu ihm um.
»Sie sind nicht auf einer Expedition am Nordpol. Sie sind bei einem Autounfall gestorben. Ein entgegenkommender Möbelwagen geriet auf ihre Fahrbahn.«
Für einen Augenblick herrschte Schweigen.
»Ich weiß«, sagte Alexandra. »Alle wissen es.«
»Es tut mir leid«, sagte Darwen, »dass ich gelogen habe, meine ich. Ich wollte nur einfach nicht darüber reden …«
»Kein Problem«, sagte Alexandra. »Und außerdem«, fügte sie mit einem langen Blick auf den Spiegel hinzu, »haben wir ja jetzt auch jede Menge anderer Dinge, über die wir uns unterhalten können.«
K A P I T E L 1 8
Der nächste Schultag begann unerwartet mit einer Versammlung aller Schüler. Offenbar war nicht nur Naia Petrakis’ Armband aus den Umkleiden in der Turnhalle verschwunden. Ein Junge aus der achten Klasse vermisste einen ganzen Stapel Baseball-Tauschbilder, und Princess Clarkson hatte ihre Haarbürste verloren. Letzteres führte zu allerlei Augenrollen und Grinsen hinter vorgehaltener Hand, aber es stoppte sofort, als der Direktor andeutete, dass es weitere Fälle gäbe, über die er aber nicht mehr verraten wollte.
»Das muss sofort aufhören«, verlangte er.
Der Dieb wurde aufgefordert, alle gestohlenen Dinge zusammen mit einem Entschuldigungsschreiben bis zum Ende des Schultags in eine Kiste vor dem Lehrerzimmer zu legen. »Wenn das nicht geschieht, werden wir zu drastischeren Maßnahmen greifen.« Die Lehrer wechselten strenge Blicke, während die Schüler untereinander leise flüsterten.
»Nun zu angenehmeren Themen«, sagte der Direktor. »Mit großer Freude gebe ich bekannt, dass die Hillside Ende des Monats zum ersten Mal eine Halloween-Party veranstalten wird …«
Nachdem die Versammlung beendet war, wurde unter allen Schülern darüber spekuliert, was die Lehrer wohl unter »drastischeren Maßnahmen« verstanden.
»Vielleicht lassen sie Durchsuchungen vornehmen«, vermutete Melissa Young und lehnte sich zu Naia hinüber, der die Tränen in den Augen standen.
»Wer klaut denn was von anderen Kindern?«, fragte Alexandra.
Genevieve Reddock wandte sich kurz von ihrem Plastikkätzchen ab und blickte zu Darwen hinüber.
»Bis vor einer Woche hatten wir ja gar kein Problem«, sagte sie und sah Melissa bedeutungsvoll an. Das Kätzchen an ihrem Schlüsselring begann mit dünner
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