Mr. Peregrines Geheimnis: Roman (German Edition)
machen! Du wirst das Skelett beschädigen!«
Aber Rich hörte nicht. Er schwang die Hacke und schlug mit einer Mischung aus Wut und Verzweiflung auf den Boden ein. Darwen trat entmutigt zurück und verzog das Gesicht. Nun hatte auch noch der Regen wieder eingesetzt. Die Grube in der Mitte wurde breiter und tiefer. Richs Gesicht war mit feuchtem Lehm bespritzt, und seine Hände waren mit dickem, orangerotem Schlamm überzogen. Endlich hörte er auf und sah zu Darwen, das Gesicht dreckverschmiert und regennass.
»Es ist weg. Das Skelett. Jemand hat es weggenommen.«
K A P I T E L 2 3
Eine Weile standen sie im Regen und starrten auf die leere Grube.
»Jetzt müssen wir doch zu Iverson gehen«, sagte Rich.
»Und was wollen wir ihm erzählen?«, fragte Darwen. »Dass wir ihn hinters Licht geführt haben? Dass wir ein Monster gefunden haben, das jetzt aber verschwunden ist? Wer weiß, vielleicht war er es sogar, der es weggenommen hat.«
»Er hätte doch was gesagt«, meinte Rich. »Ebenso wie alle anderen. Es weiß doch jeder, dass das hier unsere Ausgrabungsstelle ist. Wieso hat uns niemand danach gefragt?«
»Wer auch immer es genommen hat, hat etwas zu verbergen«, überlegte Darwen. »Wahrscheinlich ist das sogar der Grund, weshalb er es genommen hat: um den Fund geheim zu halten. Wenn wir jetzt etwas erzählen, werden wir wie Lügner und Idioten dastehen.«
Über ihnen grollte der Donner, und Blitze zuckten über das Schulgelände, während der Regen in immer dickeren Tropfen niederprasselte.
»Aber wieso?«, rief Rich in den aufkommenden Sturm.
»Um die Schule vor einem Skandal zu bewahren?«
»Es ist aber schon ein bisschen extrem, deshalb die Knochen auszugraben und zu verstecken.«
»Nun, es gibt noch eine andere Möglichkeit«, rief Darwen und drehte sich mit dem Rücken zum Wind. Sie waren beide schon ziemlich nass, verspürten aber keine Lust, ins Gebäude zurückzukehren.
»Und zwar?«
»Dass derjenige, der die Knochen fand, genau weiß, worum es sich handelt«, überlegte Darwen. »Dass er weiß, dass es sich nicht nur um einen archäologischen Fund handelt und vielleicht sogar auch, dass es Schrubbler wirklich gibt und dass sie noch aktiv sind. Wir müssen unbedingt herausfinden, ob Mr. Peregrine wieder wach geworden ist.«
»Ich rufe im Krankenhaus an«, sagte Rich. »Los komm, zuerst müssen wir aus dem Regen raus.«
Sie stellten sich unter eine große Zypresse, die zumindest ein wenig Schutz bot, und Rich holte sein Mobiltelefon hervor. Er sprach zunächst mit der Krankenhauszentrale, dann mit der Vermittlung und schließlich mit jemandem auf der Station. Darwen war beeindruckt. Rich klang ganz ruhig und erwachsen, und als er endlich eine Krankenschwester am Apparat hatte, erkundigte er sich ganz professionell, ob Mr. Peregrines Zustand stabil sei oder sich verändert hatte und wie hoch sein Blutdruck und seine Atemfrequenz waren.
»Er atmet immer noch selbstständig, aber er reagiert nicht auf Reize«, seufzte Rich, nachdem er aufgelegt hatte. »Er könnte innerhalb der nächsten Stunde aufwachen, aber vielleicht auch nächstes Jahr oder gar nicht. Wenn das in ein paar Tagen noch immer so ist, werden sie ihn verlegen – auf Langzeitpflege von Komapatienten sind sie im Krankenhaus nicht eingestellt.«
»Woher kennst du diese ganzen medizinischen Ausdrücke?«, fragte Darwen.
»Ach, aus dem Fernsehen und so.« Rich blickte wieder in den Regen hinaus. »Wir packen unseren Kram lieber ein. Wir sind spät dran.«
Darwen sah auf die Uhr. Heute sollte ihn Eileen, die schreckliche Babysitterin, abholen. Wahrscheinlich parkte sie schon am Eingang und telefonierte wieder endlos mit ihrem Freund.
»Ich helfe dir«, sagte er.
Darwen fühlte sich wie ein Jongleur, der versuchte, vier verschiedene Bälle in der Luft zu halten. Da waren das Schrubblerskelett und die Frage, wohin es verschwunden war, die Geschehnisse in Silbrica, die Diebstähle an seiner Schule und nicht zuletzt Mr. Peregrine und sein Geschäft. Hatte Alexandra womöglich recht? Hatten all diese Dinge miteinander zu tun? Vielleicht jonglierte er gar nicht mit vier Bällen, sondern nur mit einem, und es gab nur ein einziges Problem, das er aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtete. Er begriff nur einfach nicht, wie all das zusammenpassen sollte.
Sie deckten ihre Ausgrabungsstelle wieder mit der Plane ab und schoben die Karre mit den Werkzeugen zurück zum Schulgebäude. Inzwischen war es beinahe dunkel, und mit wachsender
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