Mr. Postman
einen Baum, unter dem die Leiche lag, angestrahlt vom Licht zweier Scheinwerfer, die auch die Nähe des Tatorts ableuchteten. Die Kollegen waren noch dabei, die Spuren zu sichern und stellten ihre Nummernschilder auf. »Scheußliche Sache, wie der Mann getötet wurde«, sagte Murphy.
»Wie denn genau? Wissen Sie schon mehr?«
Murphy hob die Schultern. »Man hat ihm das Gesicht und auch den Hals zerstört.«
»Oh…«
»Ja, und keiner von unseren Experten weiß, womit das geschehen ist. Jedenfalls war es kein Messer.«
Ich nickte, dachte an Glendas Bericht und fragte: »Könnten es vielleicht Finger gewesen sein?«
»Hä? Wie bitte?« Der Kollege trat zurück und schaute mich kopfschüttelnd an.
»Keine normalen Finger natürlich. Auch nicht die eines durchtrainierten Karatekämpfers. Ich denke da eher an Knochenfinger, wie sie zu einem Skelett gehören.«
»Ach ja - Skelett?«
»Richtig.«
»Wenn Sie das meinen, Sinclair.«
»Sie glauben mir natürlich nicht, was ich nachvollziehen kann. Es wäre schon möglich.«
»Und woher wissen Sie das?«
Ich deutete zum dunklen Himmel, an dem nur wenige Wolken schwammen. »Ich habe den perfekten Draht zu ihm.«
»Toll. Wie denn? Per Handy?«
»Genau das ist es.« Ich kam wieder zur Sache. »Wo finde ich Glenda Perkins?«
»Sie ist mit Lilian Evans ins Haus gegangen. Mrs. Evans war noch nicht in der Verfassung, verhört zu werden. Unser Arzt hat ihr zunächst eine Beruhigungsspritze gegeben. Glaube kaum, dass Sie mehr Glück haben werden, bei dieser Dosis.«
»Dann rede ich eben mit Glenda. Wir sehen uns…«
»Klar.« Murphy verzog das Gesicht. »Oder soll ich leider sagen?«
»Das bleibt Ihnen überlassen.«
Durch den Vorgarten ging ich auf das Haus mit der offenen Tür zu. Es war still, als ich eintrat. Ein ungewöhnlicher Geruch schwebte mir entgegen. Nein, es roch nicht nach Blut, aber stickig und dumpf war es schon in diesem Haus. Die Angst, die beide Frauen gespürt hatten, schien sich hier noch gehalten zu haben, verdichtet in einer beklemmenden Stille.
Ich war im schwach beleuchteten Flur stehen geblieben, um diesen Eindruck aufzunehmen. Im Gegensatz dazu stand die Einrichtung. Sie war nett und gediegen. Nichts wirkte überladen. Alles hatte Qualität.
Wer hier lebte, brauchte nicht auf Kleingeld zu achten.
Von beiden Frauen hörte ich nichts. Keine Stimmen, auch keine anderen Geräusche. Sie schienen überhaupt nicht anwesend zu sein, und ich rief nach meiner Sekretärin.
»Glenda…«
»Ich bin hier, John. Es ist okay…«
Die Antwort War aus einem Zimmer an der linken Seite geklungen, dessen Tür nicht geschlossen war. Ich drückte sie auf und trat ein.
Es war ein Schlafzimmer, und beide Frauen waren da. Lilian Evans lag auf dem Bett. Blass und bis zu den Schultern hoch zugedeckt. Sie sah aus wie jemand, der tief schläft.
Glenda Perkins hatte sich einen Stuhl besorgt. Neben dem Bett hockte sie wie eine Wächterin. Der Schrecken stand auch ihr ins Gesicht geschrieben. Nur war sie eine Frau, die schon einiges durchgemacht hatte. So leicht warf sie nichts aus der Bahn. Dass die Ereignisse auch an ihr nicht spurlos vorübergegangen waren, das sah ich ihr an. Trotz des Lächelns wirkte sie fahrig, aber auch erleichtert, als sie aufstand und mir entgegenkam.
Ich schloss sie in die Arme. Dabei spürte ich ihr Zittern. Ich sah die Reste einer zerstörten Flasche auf dem Boden liegen, einen Kühler und auch Eiswürfel, die schmolzen oder schon geschmolzen waren. Auf dem Teppich zeichnete sich eine dunkle Lache ab.
Ich hörte sie atmen. »John«, sagte sie flüsternd, »das ist gerade noch mal gutgegangen. Ich dachte, ich würde es nicht mehr packen, ehrlich. Dann kam mir die Idee mit der Flasche.«
»Hast du sie dem anderen auf den Kopf geschlagen?«
»Ja.«
»Sehr gut.«
»Ich habe ihn trotzdem nicht ausschalten können. Aber wir hatten die Chance zur Flucht.«
»Gut, Glenda. Und wo steckt diese Gestalt jetzt?«
Sie hob die Schultern, nachdem sie sich von mir befreit hatte. »Sorry, das habe ich nicht gesehen. Ich glaube allerdings nicht, dass er das Haus an der Vorderseite verlassen hat. Kann ich mir nicht vorstellen. Der wird einen anderen Weg gefunden haben.«
»Setz dich mal wieder. Du kannst mir gleich alles erzählen.« Ich deutete auf die blonde Lilian Evans. »Wie geht es ihr? Wie hat sie es überstanden? Kann sie vernommen werden?«
»Nein, auf keinen Fall.« Glenda schaute sie an, während sie sprach.
»Der Arzt hat ihr eine
Weitere Kostenlose Bücher