Mr. Postman
schrieen und durchdrehten. Dann wäre es hier mit der Stille vorbei gewesen. Zwei Frauenstimmen konnten schon eine Nachbarschaft zusammenschreien.
Deshalb war er vorsichtig.
Einen Hinterausgang nahm er nicht. Er lief ihnen nach, die Mütze noch fest auf den Kopf gedrückt. In der offenen Haustür blieb er für einen Moment stehen. Vom Gehsteig her und jenseits des Vorgartens hörte er ihre Stimmen. Noch schrieen sie nicht. Sie würden es tun, wenn sie ihn plötzlich wiedersahen, und genau dieses Risiko wollte Mr. Postman nicht eingehen. Er musste an seinen Plan denken und durfte ihn durch nichts gefährden.
Noch standen beide derartig stark unter dem Eindruck der Ereignisse, dass sie an nichts anderes denken konnten, deshalb war es für ihn ein guter Zeitpunkt, sich zurückzuziehen.
Das tat er auch und nutzte die Deckung der Sträucher. Er bewegte sich parallel zu den Hauswänden entlang, räumte Hindernisse zur Seite oder durchbrach sie einfach. Einen Topf mit Blumen trat er einfach aus dem Weg, huschte geduckt an erhellten Fenstern entlang, und erreichte schließlich eine schmale Gasse, die nach rechts führte. Sie war gerade so breit, dass ein Auto hindurchfahren konnte. Nur durfte ihm kein zweiter Wagen begegnen.
Die Gasse wurde umrahmt von Hauswänden. Es waren die schmaleren Seiten der Häuser mit weniger Fenstern. Er sah Dachrinnen, zwei Gullys, dann hatte er schon das Ende der Gasse erreicht, die in einen Parkplatz mündete, auf dem die Mieter ihre Wagen abstellten.
Leer war der Platz nicht, aber er war so gut wie unbeleuchtet. Nur eine Laterne spendete spärliches Licht, das kaum die Autodächer erreichte.
Das Ende des Platzes bildete eine Wand aus Garagen. Dahinter ragten Bäume hoch, und sie wiederum wurden von andere Bauten überstockt, die von der parallel verlaufenden Straße zu erreichen waren.
Am Rande des Parkplatzes blieb Mr. Postman stehen. Noch immer ein Skelett. Eine Erscheinung ohne Fleisch und Haut, die aber lebte. Sie dachte und handelte wie ein Mensch. Sie war in der Lage, Schwingungen aufzunehmen. Sie konnte Menschen riechen, sie gut wahrnehmen und sich dann auf sie einstellen.
Er hörte auch die Sirenen der alarmierten Polizeiwagen und wusste, dass es mit der Ruhe in dieser Gegend bald vorbei sein würde. Aber das Geschehen würde sich mehr auf die Straße konzentrieren, so hatte er in den hinteren Bereichen freie Bahn.
Zwar war der erste Teil des Mordplans misslungen, aber Mr. Postman wollte in dieser Nacht mehr. Sie sollte zu einer unvergesslichen Mordnacht werden. Zu den langen Stunden des Todes und des Grauens.
Er wollte, dass Menschen starben, und bestimmte von ihnen standen bereits auf seiner Liste. Die Namen kannte er auswendig. Er hatte sie sich nicht zu notieren brauchen.
Das Skelett witterte! Wäre es ein Mensch gewesen, hätte es sicherlich seine Nasenflügel zuckend bewegt. So aber stand es einfach nur da und bewegte leicht seinen Knochenkopf.
Da war etwas…
Er roch die Menschen. Er nahm ihre Ausdünstungen wahr. Es ging ihm nicht um die Leute in den Wohnungen, was er witterte, das spielte sich in seiner Nähe ab. Nicht einmal zu weit weg…
Mr. Postman setzte sich wieder in Bewegung und vermied es dabei, in den Lichtschein der einzigen Lampe zu gelangen. Es konnte sein, dass zufällig jemand aus dem Fenster schaute und sich so drehte, dass er auch auf diesen Parkplatz blickte. Der Knochenkiller wollte nicht gesehen werden.
Jenseits der Häuser war bereits die Polizei eingetroffen. Man hatte den Toten gefunden. Die Mordkommission würde in Aktion treten, und die Männer würden sich auch die Aussagen der beiden Frauen als Zeuginnen anhören. Wer würde ihnen glauben?
Als er sich diese Frage stellte, da spürte er so etwas wie Freude in seinem Innern. Trotz seiner Knochengestalt durchströmte ihn ein warmes Gefühl. Es machte ihm Spaß, und er stellte sich schon jetzt die ungläubigen Gesichter der Bullen vor, wenn sie hörten, was ihnen die Frauen zu sagen hatten. Keiner würde ihnen glauben. Man würde sie für übergeschnappt halten. Man würde nach allem fahnden und suchen, nur eben nicht nach einem lebendem Skelett in Postuniform.
Ja, darin fühlte er sich wohl. Er hatte sie immer getragen. Über Jahre hinweg. Er war so stolz auf sie gewesen, und er gab sie auch jetzt nicht ab. Nein, auch nicht nach allem, was mit ihm geschehen war. Er hatte eine Aufgabe zu erledigen. Er musste die Personen vernichten, die sich so schlimm benahmen. Sie hatten es verdient.
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