Mr. Postman
sie nicht erwartet. Uni so mehr wunderte sie sich, dass die Gestalt reden konnte. Zwar mehr ein Röcheln, aber die Worte waren verständlich.
»Gehörst du auch zu ihnen?«
»Zu wem?«
»Zu den Fremdgängerinnen. Zu denen, die ihre Männer betrügen, verdammt noch mal…«
»Vielleicht…«
Er riss sein Maul noch weiter auf, und wieder waren an den Winkeln die knirschenden Geräusche zu hören. Die Antwort schien ihm nicht gefallen zu haben. Glenda konnte selbst auch nur den Kopf über diese Dinge schütteln. Okay, sie war einiges gewohnt, aber diese Situation war nicht leicht zu erklären oder zu begreifen.
Schon längst hatte sie sich die Frage gestellt, woher eine Gestalt wie diese überhaupt kam. Hatte sie ihr Grab als Skelett verlassen? War der Körper vielleicht in ein Säurebad gefallen, das Haut und Fleisch abgelöst hatte?
Sie wusste es nicht. Es war auch unwichtig, denn sie musste sich auf das Skelett konzentrieren. Es wiederholte ihre letzte Antwort, und Glenda nickte, obwohl sie ahnte, dass dies ihre Situation nicht verbessern würde.
»Du auch…«, röchelte es ihr entgegen.
»Ja, warum nicht?«
Zum erstenmal bewegte er sich schneller, und auch Glenda ging einen Schritt weiter. Noch näher an den Kühler und an die Flasche heran, deren Hals schräg und irgendwie griffbereit über dem Rand hervorragte.
Das erste Opfer war vergessen. Es lag auf dem Bett, noch immer schwer nach Luft ringend, aber Lilian hatte noch nicht richtig erfasst, dass die unmittelbare Gefahr vorbei war, obwohl sie die Stimme der fremden Frau hörte, die sie warnte und darauf hinwies, doch endlich wegzulaufen.
Mehr konnte Glenda nicht tun. Sie musste sich um das lebende Skelett mit der Uniform des Briefträgers kümmern. Es hatte den Rand des Bettes erreicht. Den rechten Arm mit der Knochenhand und dem Messer hielt es halb erhoben. Es war bereit, die Klinge in Glendas Körper zu rammen.
Sie hatte sich so gedreht, dass sie den Unheimlichen anschauen konnte. In ihren Rücken spürte sie schon die Kühle des mit Eis gefüllten Kübels, und sie wusste auch, wie sie greifen musste, um die Flasche fassen zu können. Das alles hatte sie sich ausgerechnet. Aber sie wusste auch, dass sie nicht zu früh nach dieser ›Waffe‹ greifen durfte, denn die Überraschung musste auf ihrer Seite sein.
Er kam noch näher. Ein zuckender und trotzdem gleitender Schritt.
Die leeren Augenhöhlen waren tatsächlich wie Augen auf Glenda Perkins gerichtet. Sie fühlte sich von ihnen durchbohrt, beinahe wie seziert, und auch ihr Herz klopfte jetzt wieder schneller, je näher die Sekunde der Entscheidung heranrückte.
Beim nächsten Schritt musste sie es wagen. Der Gedanke war kaum in ihrem Kopf aufgezuckt, als sich der Knöcherne schon bewegte. Er wollte gehen, sein Messerarm zuckte dabei zurück, um während des Schritts ausholen zu können.
Auch Glenda Perkins bewegte sich. Was sie in den folgenden Sekunden tat, bekam sie mental kaum mit. Bei ihr war der Überlebenswille aktiviert worden. Sie schnappte sich die Flasche mit der rechten Hand. Der Hals war zum Glück nicht zu glatt, und sie hörte, wie die bauchige Flasche aus dem Eis gezerrt wurde.
Glenda schwang sie hoch. Wasser spritzte weg. Selbst kleine Eiswürfel gesellten sich dazu. Und dann schrie Glenda auf, als sie die Flasche mit aller Kraft nach unten wuchtete.
Sie traf den Kopf der Gestalt. Der Bauch der Champagnerflasche hämmerte direkt auf die Fläche der Mütze. Glenda hörte nicht, ob die Knochen knirschten oder zusammenbrachen, jedenfalls ging die Flasche zu Bruch. Sie zersplitterte, und die Flüssigkeit schäumte um den Kopf der Gestalt herum. Der Treffer hatte noch eine andere Wirkung. Auch die Stirn war getroffen worden, daran hatte kein Mützenschirm etwas ändern können. Durch diese Wucht war die Gestalt ein Stück zurückgetrieben worden und hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten.
Sie taumelte. Sie war irritiert, aber nicht ausgeschaltet, das wusste Glenda genau. Der Arm mit dem Messer bewegte sich hektisch auf und ab, ohne ein Ziel zu treffen, und auch Lilian Evans war jetzt außer Gefahr. Das hatte sie sogar begriffen, denn sie hatte sich auf dem Bett aufgerichtet.
Glenda war noch nicht fertig. Sie ließ das Stück des Flaschenhalses fallen, drehte sich und griff mit beiden Händen nach dem mit Eis und Wasser gefüllten Kühler. Er war nicht leicht. Glenda wuchtete ihn trotzdem hoch und rannte damit auf das lebende Skelett zu. Kurz davor schleuderte sie ihm
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