Mr. Postman
schmaler Weg, auf dem helle Platten schimmerten. Überall standen Wagen. Sehr dicht geparkt, so dass ich mich wunderte, wie die Fahrer aus manchen Klemmen herausfanden.
Das Haus Nummer zwei unterschied sich in nichts von den anderen in der Reihe. Auch hier schimmerte das Außenlicht, und in seinem Schein hatten sich einige Jugendliche versammelt, die sich allerdings friedlich verhielten und mich auch nicht anpöbelten.
Hier sollte Manson wohnen. Das Haus gehörte nicht zu den ganz miesen Kasernenbauten, die es auch noch gab. Man hatte das Klingelbrett heilgelassen, auf dem der Besucher die Namen der Mieter fand und sicherlich auch so davor stand wie ich, als ich nach Manson suchte.
Ich fand ihn nicht. Viele Namen in unterschiedlichen Schriften zusammengefügt, aber kein Manson war dabei.
Sollte sich der Kollege geirrt haben? Das glaubte ich nicht. Es musste eine andere Lösung geben. Ich war einmal da und wollte auch so schnell nicht wieder zurück. Deshalb betrat ich das Haus, erreichte einen warmen und stickigen Flur und ging auf die nächstliegende Tür zu, wo jemand wohnte, der Graves hieß.
Dort schellte ich. Es war jemand in der Wohnung, denn ich konnte eine Stimme hören. Sie war nicht eben leise, sogar ziemlich ungehalten.
Die Tür wurde aufgerissen, und vor mir stand ein Mann, wie ich ihn so sehr liebte. Ausgebeulte graue Jogginghose, ein blassrotes Netzhemd über einen Oberkörper gestreift, auf dem die Brusthaare beinahe wie ein Pelz wuchsen. Ein rötliches Gesicht. Fettige Haare und Bieratem. Ein toller Feierabend.
Ich blieb sehr freundlich und fragte: »Mr. Graves?«
»Ja, das bin ich. Was wollen Sie?«
»Mit Ihnen reden.«
Er reckte sein Kinn vor. »Warum? Wir kennen uns nicht. Ich weiß nicht, was Sie wollen.«
»Bitte, es geht auch nicht um Sie, Mr. Graves. Ich habe nur eine Frage. Können Sie mir bitte sagen, wo ich Cassius Manson finden kann? Er soll ja hier wohnen.«
»Hä? Was sagen Sie da?«
»Cassius Manson.«
»Willst du mich verarschen, Mann?«
»Nein, das hatte ich nicht vor, Mr. Graves.«
Er holte tief Luft und blähte dabei seine Nasenlöcher weit auf. »Sie können Manson irgendwo auf dem Friedhof suchen, Mister, denn er ist tot. Verstanden? Tot!« Mehr sagte er nicht und rammte mir die Tür vor der Nase zu.
Ich stand da wie der berühmte begossene Pudel. Cassius Manson war also tot. Mit allem hatte ich gerechnet, nur damit nicht. Wieso war er tot und brachte trotzdem noch die Post?
Ich war durcheinander, ging von der Tür weg, blieb allerdings noch im Hausflur stehen. Manson hatte hier mal gewohnt, das stimmte schon.
Nur war er gestorben, auch nichts Unnormales, das trifft schließlich jeden Menschen. Aber wieso brachte er noch die Post? Ein toter oder untoter Briefträger, mit dem die Bewohner redeten und dabei nicht wussten, mit wem sie es in Wirklichkeit zu tun hatten? Das wollte mir nicht in den Sinn. Hier musste jemand seine Hand im Spiel haben, der gewisse Geschicke verdammt raffiniert zu lenken verstand und alle täuschte.
Mit dieser Nachricht hatte ich wirklich nicht gerechnet. Ich wusste jetzt, dass der Fall so einfach nicht lag und ich mich neu orientieren musste. Dabei war ich gespannt, was Lilian Evans dazu sagen würde und auch Celine di Cappo.
Vor der Haustür prallte ich beinahe mit einem jungen Mann zusammen, der eintreten wollte. »Hi«, sagte er und grinste. »Leicht einen in der Hacke?«
»Nein, das nicht.«
»Du wohnst nicht hier, wie?«
Ich hatte schon weitergehen wollen. Aus einem Gefühl heraus blieb ich stehen. »Nein, ich war nur hier, um jemanden zu besuchen, aber den gibt es nicht mehr.«
»Wer ist es denn?«
»Cassius Manson.«
Der Knabe vor mir lachte und strich über seine aalglatten, pechschwarzen Haare. Überhaupt war er nur in Schwarz gekleidet. Um seinen Hals herum hingen ein paar billige Silberkreuze und Pentagramme. So einer wie er gehörte zur Gruftie-Szene. Seine Gesichtshaut war so bleich wie gepudert.
»Was ist daran so lustig?«
»Na ja, nicht viel. Aber Cassius ist tot. Es gibt unseren Mr. Postman nicht mehr. So hat er sich genannt.«
»Wann starb er denn?«
»Weiß ich nicht genau. Liegt schon mehr als ein Jahr zurück.«
»Und wer trägt jetzt die Post für ihn aus?«
»Keine Ahnung. Ein Nachfolger oder so.«
»Kanntest du ihn?«
»Ja. Wie man einen so kennt. Wir sind ganz gut miteinander ausgekommen, war nicht übel, der Kannbe. Zwar kein Schwarzer, aber er hat uns immer akzeptiert.«
»Bist du auch auf
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