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Mr. Postman

Mr. Postman

Titel: Mr. Postman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Aussehen her.
    Ich wartete darauf, das bleichgelbe Gebein schimmern zu sehen, der Gefallen wurde mir leider nicht getan. Was da auf mich zukam, war ein normaler Mensch, ein Mann.
    Er war noch schlecht zu erkennen, und ich wollte ihn auch nicht erschrecken, indem ich ihn anleuchtete, doch ich wusste, dass er allein meinetwegen gekommen war.
    Er blieb plötzlich stehen. Nahe, aber nicht nahe genug, um alle Einzelheiten zu sehen. Ein Skelett war er jedenfalls nicht, und er trug auch nicht die Uniform eines Briefträgers. Er sah völlig normal aus in seiner Kleidung - Jacke, Hose und ein ebenso dunkles Hemd. Ängstlich kam er mir nicht vor, und auch in seiner Frage schwang keine Furcht mit. »Was machen Sie hier?«
    »Das gleiche könnte ich Sie fragen.«
    »Ich habe einen Grund.«
    »Darf ich fragen, welchen?«
    »Ja, dürfen Sie. Und Sie erhalten sogar eine Antwort. Ich bin gekommen, um das Grab meines Bruders zu besuchen…«
    ***
    Das war der nächste Schock für mich. Ein regelrechter Hammer, denn damit hätte ich nie gerechnet. Es gab also einen zweiten Manson? Oder gab es nur einen? Konnte er sich von einem Menschen in ein Skelett verwandeln und umgekehrt? Vielleicht durch eine fremde Kraft, die ich nicht kannte? Mir fiel plötzlich ein, dass ich auf dem Grabstein nur den Namen Manson gelesen hatte und keinen Vornamen. Ich hatte darauf nicht weiter geachtet und auch nicht darüber nachgedacht, weil ich davon ausgegangen war, dass das Moos die anderen Buchstaben überwuchert hatte. Das Rätsel jedenfalls war nicht kleiner geworden.
    »Mitten in der Nacht?« fragte ich, weil mir keine andere Antwort einfiel. »Sie wollen mitten in der Nacht das Grab Ihres Bruders besuchen?«
    »So ist es. Oder wollen Sie es mir verbieten? Wir leben in einem freien Land. Jeder kann jederzeit irgendwohin gehen, wo es ihm passt. Haben Sie das vergessen?«
    »Sicherlich nicht.«
    »Eben. Und was tun Sie hier?«
    »Ich gehe gern auf Friedhöfen spazieren.«
    »Dann will ich Sie nicht daran hindern.«
    Ich dachte nicht daran, dieser indirekten Aufforderung zu Verschwinden Folge zu leisten, sondern blieb stehen. »Sie wollen zu Manson, dem Briefträger?«
    »Ja. Er war mein Bruder, wie ich schon sagte.«
    »Er ist schon länger tot?«
    »Warum?«
    »Nur so.«
    »Vergessen Sie es, Mister.«
    »Haben Sie seinen Job übernommen? Tragen Sie jetzt die Post aus? Sind Sie Cassius Manson, über den die Leute so nett und freundlich sprechen?«
    »Das bin ich.«
    »Schön. Dann möchte ich von Ihnen nur wissen, wer dort in der Erde liegt.«
    »Das interessiert Sie einen Dreck, Mister. Es ist mein Bruder, und damit hat es sich.«
    Es war schade, dass ich ihn nicht so genau sah. Er war etwas kleiner als ich. Sein Haar war wohl dunkelblond. Das Gesicht verschwand mehr im Dunkeln, deshalb war sein Alter auch schlecht zu schätzen. Eines allerdings war er auf keinen Fall - ein Skelett. Er war nicht die Person, die ich verfolgt hatte.
    »Kann ich jetzt zum Grab meines Bruders gehen, Mister?«
    »Bitte, ich hindere Sie nicht daran.«
    »Das weiß ich. Aber Sie stören, wenn ich das so sagen darf. Sie stören mich in meiner Ruhe und Andacht. Deshalb appelliere ich an Ihre Pietät. Ziehen Sie sich zurück. Wenn Sie über den Friedhof wandern wollen, gibt es genügend Platz hier, so dass wir beide uns nicht in die Quere kommen. Ich habe sehr an meinem Bruder gehangen und unter seinem Tod entsprechend gelitten. Tagsüber habe ich wenig Zeit, sein Grab zu besuchen. Da bleibt mir oft nur die Nacht.«
    »Verstehe.«
    »Dann bitte.«
    Er hatte deutlich genug gesprochen, und ich wollte es auch nicht auf die Spitze treiben. Mit betont langsamen Schritten ging ich an ihm vorbei, und ich drehte mich zunächst auch nicht um, bis ich eine gewisse Distanz zwischen uns gebracht hatte.
    Das Erscheinen dieses Mannes hatte dem Fall eine neue Dimension gegeben. Allerdings konnte ich die Zeuginnen verstehen, wenn sie ihren Briefträger als einen normalen Menschen beschrieben. Er war auch normal, aber zugleich umgab ihm ein Geheimnis, das in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Auftauchen des Skeletts stand.
    Ich wusste nur nicht, wie ich dieses Rätsel lösen konnte.
    Die Totenlichter schimmerten noch immer. Es war auch nicht mehr so ruhig. Schwermütig klingende Gesänge brodelten über den Friedhof hinweg. Die Grufties feierten ihre Totenfete. Sollten Sie. Im Gegensatz zu Manson waren sie harmlos.
    Es drängte mich natürlich, zu Glenda und zu Lilian zurückzugehen.
    Auf

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