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Mr. Shivers

Mr. Shivers

Titel: Mr. Shivers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
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erzählt.«
    »Ich wollte es nicht«, erwiderte Lottie.
    »Wir haben Ihnen gesagt, warum wir es tun.«
    »Darum habe ich Sie nie gebeten. Und Connelly hat es auch nicht erzählt.«
    »Das stimmt«, sagte Hammond und sah ihn an. »Ich weiß auch nicht, warum Sie das tun.«
    »Ich tue es«, sagte Connelly. »Mehr brauchen Sie nicht zu wissen.«
    »Mit Ihnen beiden kann man sich einfach nicht unterhalten«, erklärte Hammond. »Versuchen wir es noch einmal. Wo kommen Sie her, Lottie?«
    »Galveston. In Texas.«
    »Aha. Und wie ist es da so?«
    »Groß. Und aggressiv. So sind Hafenstädte für gewöhnlich. Vor allem texanische Hafenstädte.«
    »Damit kenne ich mich nicht aus.«
    »Verständlich. Juden sind in Texas eine Seltenheit.«
    »Herrgott noch mal«, sagte Hammond. »Woher weiß eigentlich jeder, dass ich Jude bin?«
    »Weil sie so selten sind.«
    »Danke«, sagte Hammond sarkastisch. Er stand auf und griff nach einer Decke am Boden. »Ich gehe jetzt schlafen. Und ich bin dafür, die Matratzen von den Fenstern zu nehmen. Sie nutzen dort sowieso nichts.«
    »Machen Sie, was Sie wollen«, sagte Lottie. »Und passen Sie auf Ihre Decke auf, wenn Sie schlafen. Ich wette, Sie könnten darunter ersticken.«
    Hammond seufzte, nickte und ging ins Wohnzimmer.
    »Wie geht es Jake?«, fragte Connelly.
    »Schlecht.«
    »In meinem ganzen Leben habe ich noch nie jemanden so schreien hören. Ich hoffe, ich muss es auch nie wieder.«
    »Wie alt sind Sie, Connelly?«
    »Warum?«
    »Weil ich es wissen will.«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Sie wissen nicht, wie alt Sie sind?«
    »Nein.«
    »Warum?«
    »Ich zähle nicht mit.«
    »Wie geht das denn?«
    »Es ist mir nie in den Sinn gekommen, es zu versuchen.«
    »Hammond ist bloß ein Junge.«
    »Das ist er.«
    »Und Pike ist ein alter Mann.«
    »Ja. Aber er verhält sich nicht so.«
    »Ich muss dauernd über etwas nachdenken«, meinte Lottie. »Es muss doch andere wie uns geben. Wenn es uns gibt, dann muss es auch noch andere geben. Wie viele? Dutzende? Hunderte? Wie lange macht er das schon?«
    Connelly schwieg eine Weile. Dann sagte er: »Es war Ihr Kind, nicht wahr?«
    Lottie zuckte zusammen. Sie blinzelte, machte Anstalten zu gehen, hielt dann aber inne. »Ja.«
    »Ich erkenne das.«
    »Wie?«
    »Keine Ahnung. Ich tue es einfach. Diese Menschen, sie haben viel verloren. Sie alle haben Angehörige verloren. Aber Eltern trauern auf eine ganz bestimmte Weise um ihre Kinder. Es ist eine ganz besondere Art von Schmerz. Ich weiß nicht, ob sie einen Namen hat, aber sie steht einem ins Gesicht geschrieben. So wie bei Ihnen. Bei mir vermutlich auch.«
    Lottie sagte nichts dazu. Der Wind riss am Fenster. »Es war mein Junge.«
    Connelly saß da und wartete.
    »Ich glaube, ich war keine besonders gute Mama«, sagte sie. »Er lief weg, als er vierzehn war. Ich kann es ihm nicht verübeln. Zuerst habe ich ihn nicht einmal vermisst. Dann aber schon. Das ist Jahre her.« Sie schloss die Augen, atmete aus. »Dann hörte ich von einem Mann, der es von einem anderen Mann gehört hatte und so weiter, dass er in Kentucky Ärger bekommen hatte und nicht mehr lebt. Getötet wurde. Irgendein verdammter Kampf. Irgendeine verdammte Sache. Ein narbiger Kerl, der es auf ihn abgesehen hatte. Ein Kind zu verlieren ist schlimm, aber es ist noch schlimmer, wenn man es nie richtig kennengelernt hat und nicht einmal weiß, wo es begraben wurde oder auf welche Art. Zum Teufel, ich … ich war in meinem ganzen Leben noch nicht in Kentucky. Ich weiß nicht, wo er liegt oder ob er seinen Frieden gefunden hat. Es ist nicht richtig, dass ein Mann einem das wegnehmen kann, einem das antun kann. Es ist nicht richtig.«
    »Nein, ist es nicht«, sagte Connelly. »Aber es passiert.«
    »Südlich von hier, unten in Killeen, hat mir ein Mann etwas erzählt. Er sagte, dass wenn eine Frau kurz vor der Geburt steht und sie die Schmerzen der ersten Wehen spürt, dann soll sie ihren ersten Milchzahn nehmen und ihn in einen Blumentopf einpflanzen. Den stellt sie auf die Fensterbank. Dann wird Mr. Shivers an dem Haus vorbeigehen und das Baby in Ruhe lassen.«
    »Ich habe etwas Ähnliches gehört«, sagte Connelly. »Leichenbeschauer legen die Zähne von Männern, die sie tot in Hintergassen oder Straßengräben finden, auf die Schwelle oder das Fensterbrett. Als Signal. Für ihn. Menschen, die zwischen zwei Orten sterben, auf Straßen und Verschiebebahnhöfen. Sie gehören Mr. Shivers.«
    »Glauben Sie das?«
    »Nein.« Dann

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