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Mr. Shivers

Mr. Shivers

Titel: Mr. Shivers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
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und zurrten alles fest, was sich anbot. Bei Einbruch der Nacht aßen sie die Reste des gesalzenen Schweinefleischs und drängten sich um das Feuer. Der Tag war warm gewesen, aber die Nacht war in diesen trockenen Weiten eiskalt.
    »Wie vielen Leuten seid ihr bis jetzt begegnet?«, fragte Clark.
    »Begegnet?« Pike sah ihn fragend an.
    »Ja. Ich will wissen, wie viele Leute in dieselbe Richtung wie wir unterwegs sind. Ich bin der Ansicht, ein Mann sollte wissen, womit er es zu tun hat.«
    Missy schüttelte den Kopf. »Clark, sprich nicht vor den Kindern über solche Dinge.«
    »Sie sollten das auch wissen«, sagte Clark. »Ich will nicht, dass sich einer von uns nur mit Luftschlössern im Kopf auf diese Sache einlässt. Ich will es wissen. Wie viele?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Pike. »Ich weiß nicht, wo Sie hinwollen.«
    »Nach Süden und Westen. Nur fort aus diesem toten Land.«
    »Mr. Hopkins, die Leute bewegen sich in einer großen Welle fort. Wussten Sie das nicht?«
    »Schon, aber … aber ich bin nicht so weit gereist wie Sie alle. Wie groß ist sie?«
    Pike zuckte mit den Schultern. »Wie der Ozean.«
    Clark schaute ins Feuer und verschränkte die Arme.
    »Die Standhaften werden überleben«, fuhr Pike fort. »Sie und Ihre Familie sind stark. Stärker als die meisten. Ich bin nicht mehr unbedingt das, was man einen heiligen Mann nennt. Falls ich es je war. Aber ich sehe eine Zukunft für Sie, Mr. Hopkins. Denn wie könnte es anders sein für Leute, die so stark wie Sie alle sind?«
    »Das ist schrecklich nett, was Sie da sagen.«
    »Es ist nicht nett«, sagte Pike. »Es ist die Wahrheit. Kein Kompliment, nur eine Tatsache.«
    »Ihr seid schon alle in Ordnung. Zuerst habe ich mich ja irgendwie vor euch gefürchtet, das muss ich zugeben, aber Sie sind in Ordnung.«
    Roosevelt holte seine Mundharmonika hervor und fing an zu spielen. Alle lauschten, während sie am Feuer lagen. Connelly rieb sich langsam die Hände, als jemand seinen Arm berührte. Er schaute auf. Es war Clarks älteste Tochter.
    »Ist Ihnen kalt?«, fragte sie.
    »Ein bisschen.«
    »Wir haben etwas Whiskey, wenn Sie möchten.«
    »Danke, äh …«
    Sie lächelte. »Deliah.«
    »Danke, Deliah.«
    Sie brachte ihm einen Zinnbecher Bourbon, und er nahm einen kleinen Schluck.
    »Wo kommen Sie her?«, fragte sie.
    »Von ziemlich weit weg.«
    »Ja, aber wo?«
    »Memphis.«
    »Ich war noch nie aus Oklahoma weg. Ich habe meine Heimatstadt noch nie zuvor verlassen.«
    »Dafür sollten Sie dankbar sein«, sagte Connelly. »Dieses Land ist ein großer, verrückter Ort.«
    »Vermutlich. Ich wollte schon immer reisen. Aber nie auf diese Weise.«
    »Das glaube ich.«
    »Deliah«, sagte Missy. »Lass ihn zufrieden. Er ist müde.«
    »Schon in Ordnung«, sagte Connelly.
    »Komm her«, schalt Missy sie.
    Deliah verzog das Gesicht und ging zu ihrer Mutter, lächelte ihn aber über die Schulter an. Er runzelte die Stirn und trank. Clark holte die Flasche und ließ sie herumgehen. Der Alkohol entzündete kleine Feuer in ihren Bäuchen und machte die Nacht erträglich. Bald plauderten alle, als säßen sie zu Hause.
    »Das sind nette Menschen«, sagte Lottie zu Connelly.
    »Das sind sie.«
    »Es ist schade, dass sie auf der Straße leben. Ich wünsche mir, dass es ihnen gut geht. Es wäre schön, bei ihnen zu bleiben und weiterzufahren.«
    »Das stimmt«, sagte Connelly.
    »Wissen Sie, was ich manchmal glaube?«
    »Was?«
    »Manchmal glaube ich, dass ich bei jedem Schritt ein Stück mehr von mir verliere. Bei jedem Schritt, den ich mache, um diesen Mann zu verfolgen, vergesse ich, was ich tue. Nein … Das stimmt nicht. Nicht, was ich da tue, sondern warum . Wissen Sie, was ich meine?«
    Connelly zuckte mit den Schultern.
    »Wie damals im Hobolager«, sagte sie. »Als Pike diesen Mann schlug, damit er uns verriet, wo Shivers hin ist. Ich stand einfach da, als wäre das nichts. Es erschien mir okay. Und das war es auch, nachdem … nachdem was mit den Zwillingen passierte. Aber als ich in dieser Nacht wach lag, musste ich daran denken, dass ich bis vor knapp einem Jahr in meinem ganzen Leben noch nie gesehen hatte, wie ein Mann geschlagen wurde. Nicht so. Nicht so.«
    Lottie biss sich auf die Lippe und spielte mit einer Haarlocke. Sie schien unbedingt etwas sagen zu wollen, hielt aber inne, lächelte. »Es tut mir leid. Ich muss mal kurz weg.« Sie ging fort.
    Sie blieb lange weg. Connelly trank noch mehr mit den anderen Männern. Es war das erste Mal seit

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