Mr. Vertigo
war so aufgeregt, dass ganz offensichtlich irgendwas bevorstand. Trotzdem reagierte ich nicht. Diese Befriedigung wollte ich ihm nicht verschaffen, und so hielt ich weiter den Blick von ihm abgewandt. Nach einer Weile setzte sich Slim auf das Bett gegenüber meinem Stuhl. Als ich immer noch nicht reagierte, beugte er sich vor, löste meinen Knebel und nahm ihn ab.
«Sieh mich an, wenn ich mit dir rede», sagte er.
Aber ich sah weiter zu Boden, ich wollte seinen Blick einfach nicht erwidern. Plötzlich sprang er auf und schlug mir ins Gesicht – einmal, sehr hart. Ich blickte auf.
«Schon besser», sagte er. Normalerweise hätte er seinen kleinen Sieg belächelt, aber heute lag ihm nichts an solchen Lappalien. Er machte eine finstere Miene und starrte mich ein paar Sekunden lang so durchdringend an, dass ich meinte, in meinen Kleidern zu schrumpfen. «Du bist ein Glückskind», fuhr er fort. «Fünfzigtausend Dollar, Neffe. Glaubst du wirklich, du bist so einen Haufen Kohle wert? Hätte nie gedacht, dass sie so viel zahlen würden, aber sie haben alles akzeptiert, ohne mit der Wimper zu zucken. Scheiße, für mich würde kein Mensch so viel ausspucken, Junge. Ich würde auf dem freien Markt allerhöchstens einen halben Dollar einbringen – und das auch bloß, wenn ich ’nen richtig guten Tag hätte. Und du hast da diesen verdammten Juden, der einfach so fünfzigtausend Lappen lockermacht, um dich zurückzukriegen. Schätze, da fühlst du dich als was Besonderes, wie? Oder meinst du, er blufft nur? Ist es vielleicht das, Neffe? Dass er mir noch mehr Versprechungen macht, die er nicht zu halten gedenkt?»
Ich sah ihn jetzt an, aber das hieß noch lange nicht, dass ich die Absicht hatte, seine Fragen zu beantworten. Onkel Slim stand über mich gebeugt an der Bettkante und schob mir sein Gesicht vor die Nase. Er war so dicht vor mir, dass ich jede blutunterlaufene Ader in seinen Augen sehen konnte, jede kraterhafte Pore in seiner Visage. Seine Pupillen waren geweitet, er war außer Atem, und ich hatte das Gefühl, gleich würde er nach vorn stürzen und mir die Nase abbeißen.
«Walt der Wunderknabe», sagte er, die Stimme zu einem Flüstern gesenkt. «Das klingt richtig nett. Walt … der … Wunder … knabe. Jeder kennt deinen Namen, Kleiner, das ganze Scheißland redet von dir. Auch ich war in deinen Vorstellungen. Nicht einmal, sondern mehrmals – sechs-, siebenmal im vergangenen Jahr. Du bist unschlagbar, eh? Ein Kerl, der übers Wasser geht. Die phantastischste Nummer, die ich je gesehen habe, der tollste Hokuspokus seit der Erfindung des Radios. Keine Drähte, keine Spiegel, keine Falltüren. Wie geht der Trick, Walt? Wie zum Teufel machst du das, so vom Boden abzuheben?»
Ich wollte nicht reden, ich wollte kein einziges Wort zu ihm sagen, aber nachdem ich ihn zehn, fünfzehn Sekunden lang schweigend angestarrt hatte, sprang er auf und verpasste mir mit der flachen Hand einen Schlag an die Schläfe, dem er mit der anderen Hand eine Ohrfeige folgen ließ.
«Es gibt keinen Trick dabei», sagte ich.
«Hoho», machte er. «Hohoho.»
«Die Nummer ist in Ordnung. Was man da sieht, ist alles echt.»
«Und du erwartest, dass ich das glaube?»
«Was du glaubst, ist mir egal. Ich sage dir, es ist kein Trick dabei.»
«Lügen ist eine Sünde, Walt, das weißt du. Besonders innerhalb der Familie. Lügner kommen in die Hölle, und wenn du nicht aufhörst, mir solchen Quatsch zu erzählen, wirst du auch dort landen und vom Teufel im Topf geschmort. Verlass dich drauf, Junge. Sag mir die Wahrheit, auf der Stelle.»
«Tu ich doch. Ich sage die Wahrheit und nichts als die Wahrheit, so wahr mir Gott helfe.»
«Na schön», sagte er und schlug sich frustriert auf die Knie. «Wenn das so ist, dann wollen wir mal sehen.» Er sprang vom Bett auf, packte mich am Kragen und riss mich mit einer raschen Bewegung vom Stuhl. «Wenn du so verdammt überzeugt von dir bist, dann zeig’s mir. Wir gehen jetzt nach draußen und machen eine kleine Vorführung. Aber wehe, du hältst nicht Wort, Klugschwätzer. Ich lass mich nicht bescheißen. Hast du gehört, Walt? Zeig’s mir oder halt’s Maul. Du wirst jetzt fliegen, oder du kannst was erleben.»
Als er mich unter lautem Schimpfen ins andere Zimmer schleifte, schlug mein Schädel auf den Boden, und Holzsplitter rissen mir die Kopfhaut auf. An Gegenwehr war nicht zu denken. Ich war noch immer an Armen und Beinen gefesselt, konnte also nur zappeln und schreien und um
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