Mrs. Alis unpassende Leidenschaft
die sich nicht mit halben Sachen abgeben«, sagte Sandy.
»Du solltest sie anrufen, Liebling. Vielleicht springt eine Einladung zum Mittagessen dabei raus.«
»Bitte nicht zum Mittagessen, Roger! Da muss man Konversation machen, und ich halte es nicht aus, mir noch mal eine Stunde lang eine Auflistung ihrer sämtlichen Handtaschen anzuhören«, erwiderte Sandy.
»Es würde sich aber lohnen, weil wir dann vielleicht auf die Gästeliste für ihren privaten Pavillon auf der Kunstmesse kommen. Wenn wir die beiden richtig bearbeiten, könnten wir nächsten Sommer Yachturlaub auf dem Schwarzen Meer machen, oder sie laden uns wenigstens übers Wochenende nach Poole ein.«
»Zu meiner Zeit ging es uns nicht darum, unsere sozialen Kontakte zu ›bearbeiten‹«, sagte der Major. »Wirkt ziemlich unfein.«
»Also bitte – das ist nun mal der Lauf der Welt«, entgegnete Roger. »Entweder man ist im Spiel und pflegt seine Kontakte, oder man bleibt ganz unten auf der sozialen Leiter und kann sich nur noch mit – na ja, mit Ladenbesitzerinnen anfreunden.«
»Du bist unverschämt«, sagte der Major. Er spürte, dass ihm das Blut ins Gesicht schoss.
»Ich finde, dein Vater macht das ganz richtig«, wandte Sandy ein. »Wer interessant sein will, muss Kontakte in ganz verschiedene Richtungen knüpfen. Dann kann man die Leute immer wieder überraschen.«
»Sandy ist eine wahre Meisterin im Schließen von Freundschaften«, sagte Roger. »Sie kann jeden Menschen davon überzeugen, dass sie ihn wirklich mag.«
»Ich mag sie ja auch alle wirklich«, fügte Sandy hinzu und wurde rot. »Okay, den Russen mag ich eher nicht. Wenn du unbedingt einen Bootsurlaub willst, müssen wir wahrscheinlich ein Kanu mieten.«
»Die Frau meines Chefs frisst ihr förmlich aus der Hand. Erst kriege ich nicht mal einen Termin zum Kaffeetrinken mit meinem Chef, und plötzlich fragt er mich, ob ich mit ihm und einem Kunden auf die Jagd gehen will. Die Macht der Frauenmafia darf man nie unterschätzen!«
»Ich kann mich an einen kleinen Jungen erinnern, der um einen toten Specht weinte und sich schwor, nie wieder ein Gewehr in die Hand zu nehmen«, sagte der Major. »Gehst du wirklich auf die Jagd?« Er beugte sich zu Sandy hinüber und schenkte ihre Tasse noch einmal voll. »Nach der Sache wollte er nie mehr mit mir jagen gehen.«
»Als ob Sprüche wie ›Bring den süßen kleinen Specht!‹ eine tolle Motivation gewesen wären«, sagte Roger. »Es war meine erste Jagd, und ich hatte einen vom Aussterben bedrohten Vogel erwischt. Das haben sie mir immer wieder hingerieben.«
»Man muss lernen, dergleichen an sich abperlen zu lassen, mein Junge«, sagte der Major. »Spitznamen bleiben nur dem, der es zulässt.«
»Mein Vater.« Roger rollte mit den Augen. »Ein großer Anhänger der Schule des Mitgefühls mit ihren kalten Bädern und vernichtenden Zurechtweisungen.«
»Roger geht jetzt auf Entenjagd«, sagte Sandy. »Drei Stunden haben wir in einem Geschäft in der Jermyn Street verbracht, bis er ausstaffiert war.«
»Ausstaffiert?«, fragte der Major. »Ich hätte dir Breeches und eine Jacke leihen können.«
»Danke, ich habe alles, was ich brauche. Außer einem Gewehr natürlich. Aber ich dachte, ich könnte mir deines und das von Onkel Bertie ausleihen.« Die Bitte hatte er übergangslos angehängt. Der Major stellte Tasse und Untertasse ab und betrachtete das ruhige Gesicht seines Sohns halb neugierig, halb wütend.
Nichts an Roger deutete darauf hin, dass ihm die Dreistigkeit seines Ansinnens bewusst war. Für ihn wog es genauso schwer, als hätte er bei einem Regenschauer gefragt, ob er sich ein überzähliges Paar Gummistiefel ausleihen könne. Der Major suchte nach einer Antwort, die schonungslos genug war, um seinen Sohn zu beeindrucken.
»Nein.«
»Wie bitte?«, sagte Roger.
»Nein, du kannst dir die Gewehre nicht ausleihen.«
»Warum nicht?«, fragte Roger mit großen Augen. Der Major setzte zu einer Antwort an. Doch dann erkannte er, dass sein Sohn ihn dazu verleiten wollte, Erklärungen abzugeben. Und Erklärungen würden Verhandlungsmöglichkeiten eröffnen.
»Wir werden das auf gar keinen Fall vor unserem Gast besprechen«, sagte er. Roger stand so abrupt auf, dass der Tee aus seiner Tasse in die Untertasse schwappte.
»Wieso musst du mir immer Knüppel zwischen die Beine werfen?«, fragte er. »Wieso kannst du dich nie dazu durchringen, mir mal zu helfen? Es geht hier um meine Karriere!« Er knallte seine Teetasse auf
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