Mrs. Alis unpassende Leidenschaft
den Tisch und drehte sich, die Hände hinter dem Rücken zu Fäusten geballt, zum Kaminfeuer.
»Dein Gastgeber hat bestimmt mehrere zusätzliche Gewehre organisiert, die vollkommen ausreichen«, sagte der Major. »Außerdem wäre es einfach lächerlich, wenn du als Anfänger mit zwei so wertvollen Flinten herumballern würdest. Ein geradezu absurder Anblick wäre das!«
»Danke, Vater. Nett von dir, dass du dich mal wieder so offenherzig über meine Beschränktheiten äußerst!«
»Dein Vater hat es bestimmt nicht so gemeint«, sagte Sandy. Sie sah aus, als wäre ihr plötzlich wieder eingefallen, warum Geschäftsfreunde letztendlich doch der Verwandtschaft vorzuziehen waren.
»Ich möchte nur verhindern, dass du dich zum Affen machst«, versicherte der Major. »Was für eine Jagd ist das überhaupt? Falls es ein Tontaubenschießen ist – die haben meistens genau die passende Ausrüstung.«
»Nein, es ist auf dem Land, hier in der Gegend«, rief Roger. Dann schwieg er, als zögerte er, mehr preiszugeben, und den Major überkam eine schreckliche Ahnung. Am liebsten hätte er sich die Ohren zugehalten, um das, was Roger gleich sagen würde, nicht hören zu müssen.
»Ich habe Roger gesagt, Sie würden sich garantiert für ihn freuen«, sagte Sandy. »Aber er hat sich die ganze Woche Sorgen gemacht, dass Sie gekränkt sein könnten, weil nach all den vielen Jahren er zur Jagd eingeladen wird und nicht Sie.«
»Ja, ich jage nächste Woche mit Lord Dagenham. Tut mir leid, Dad, aber es hat sich nun mal so ergeben, und ich konnte ja schlecht nein sagen.«
»Ja, natürlich.« Der Major spielte auf Zeit, während er seine Möglichkeiten durchging. Er überlegte, ob Roger und er den Tag überstehen könnten, ohne einander zur Kenntnis zu nehmen. Dann wog er ab, welche Vorteile es böte, erst einmal gar nichts zu sagen und sich am Tag selbst von der Begegnung mit Roger überrascht zu zeigen, vertrieb den Gedanken aber wieder, weil er sich nicht darauf verlassen konnte, dass Roger auf ein solches Lügenmärchen würdevoll reagieren würde.
»Ich wollte Gertrude bitten, noch jemanden mitbringen zu dürfen, aber ich glaube, sie können nur eine begrenzte Anzahl an Jägern unterbringen«, sagte Roger. »Und da erschien es mir unhöflich, sie zu drängen.« Er errötete, und der Major erkannte mit einigem Erstaunen, dass sich nicht nur ein Sohn für seinen Vater, sondern der Vater sich auch für seinen Sohn schämen konnte. Die Vorstellung, Roger mit einem Gewehr herumfuchteln zu sehen, beschämte ihn zutiefst, und vor seinem geistigen Auge erklärte er bereits, warum ein toter Pfau auf dem Rasen lag. Dennoch akzeptierte er, dass es sinnlos wäre, seine Beziehung zu Roger zu verheimlichen. Er würde ihn einfach im Auge behalten müssen.
»Mach dir um mich keine Sorgen«, sagte er nach einer Weile. »Mein alter Freund Dagenham hat mich schon vor einiger Zeit eingeladen, die Reihen zu verstärken.« Er legte eine Kunstpause ein. »Er meinte, wir bräuchten ein paar erfahrene Männer, um euch Burschen aus London zu zeigen, wie’s geht.«
»Das ist ja wunderbar. Mann, bin ich froh, dass sich das Problem gelöst hat.« Sandy stand auf, sagte »Entschuldigt mich« und vollführte eine vage Handbewegung, die dem Major das weltweit gültige weibliche Zeichen dafür zu sein schien, dass man eine Pause brauchte, um sich frisch zu machen.
»Ich freue mich schon darauf, die beiden alten Churchills einen ganzen Tag lang einsetzen zu können«, sagte der Major, der, kaum hatte Sandy den Raum verlassen, ebenfalls aufgestanden war. »Bleib in meiner Nähe, Roger, dann kann ich dir, falls nötig, ein paar zusätzliche Enten in die Tasche werfen.« Roger sah plötzlich aus, als wäre ihm schlecht, und den Major überkam das Gefühl, vielleicht zu weit gegangen zu sein. Geneckt zu werden, hatte sein Sohn noch nie gut verkraftet.
»Ich habe da, ehrlich gesagt, einen Amerikaner an der Hand, der daran interessiert ist, sie zu erwerben, und ich werde sie so gut präsentieren, wie ich nur kann.«
»Willst du sie wirklich verkaufen?« Roger wirkte schlagartig fröhlicher. »Das ist ja mal eine tolle Nachricht. Jemima hatte schon Angst, du würdest mit ihnen abhauen.«
»Du hast hinter meinem Rücken mit Jemima gesprochen?«
»Ach was, nein, überhaupt nicht«, sagte Roger. »Es war eher – na ja, nach dem Begräbnis dachten wir, es könnte nicht schaden, in Kontakt zu bleiben, weil jeder von uns ein Elternteil hat, um das er sich
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