Mrs Murphy 01: Schade, dass du nicht tot bist
Yankee.«
»Keine von uns, meine Liebe, keine von uns. Ihre Manieren waren entsprechend. Es fehlte ihr natürlich an Kultiviertheit – so sind sie alle. Aber dafür haben wir Mim, die reichlich überkultiviert ist, wenn Sie mich fragen.«
»Ich hatte sie gern. Ich hatte mich sogar an ihren Akzent gewöhnt.« Unbehagen beschlich Harrys Herz. Die arme Maude war nicht da, um sich zu verteidigen, und sie bedauerte, nach ihr gefragt zu haben.
»Ich konnte nicht viel verstehen von dem, was sie sagte. Ich habe mich auf den Tonfall verlassen, auf Gebärden und dergleichen. Ich wette, sie kam aus einer Mafiafamilie.«
»Wieso?«
»Nun ja, sie war katholisch und Italienerin.«
»Das heißt noch nicht, dass sie aus einer Mafiafamilie kam.«
»Nein, aber Sie können das Gegenteil nicht beweisen.«
Auf der Heimfahrt fing Harry zu lachen an. Alles war so schrecklich und so schrecklich komisch. Musste ein Mensch sterben, bevor man die Wahrheit über ihn erfuhr? Solange eine Person am Leben war, bestand die Chance, dass ihr alles, was über sie gesagt wurde, zu Ohren kam. Deswegen wogen Harry und die meisten Leute in Crozet ihre Worte ab. Man dachte zwei Mal, bevor man sprach, insbesondere wenn man beabsichtigte zu sagen, was man dachte.
Was Harry sonst noch von Mrs Hogendobber erfahren hatte, waren Insassen und Nummernschild jedes Autos, das in den letzten vierundzwanzig Stunden durch die St. George Avenue gefahren war. Die Bürgerwacht war für Mrs Hogendobber die Gelegenheit, für ihren natürlichen Hang zum Schnüffeln belohnt zu werden.
17
Ned Tucker träumte davon, sonntags morgens einmal auszuschlafen, aber um halb sieben ertönte der Wecker. Er öffnete die Augen, stellte das lästige Geräusch ab und setzte sich auf. Auf der Digitaluhr blinkte die Zeit türkisblau. Ned kam in den Sinn, dass eine ganze Generation amerikanischer Kinder eine herkömmliche Uhr nicht mehr würde lesen können. Aber sie konnten ja auch nicht addieren und subtrahieren. Taschenrechner nahmen ihnen die Mühe ab.
Harry sagte immer, Digitaluhren gingen ihr auf den Wecker. Uhren ohne Zeiger erinnerten sie an Amputierte. Keine Hände. Ned lächelte bei dem Gedanken an Harry. Susan drehte sich um, und er lächelte noch mehr. Seine Frau konnte bei einem Erdbeben, einem Gewitter, bei was auch immer durchschlafen. Er würde sie noch eine Dreiviertelstunde schlafen lassen und die Kinder versorgen. Die väterlichen Verrichtungen waren ihm ein Trost. Was ihn bekümmerte, war das Beispiel, das er gab. Er wollte nicht als Sklave seiner Arbeit wirken, aber zu träge wollte er auch nicht erscheinen. Er wollte nicht zu streng sein, aber auch nicht zu lasch. Er wollte seinen Sohn nicht anders behandeln als seine Tochter, doch er wusste, dass er es tat. Es war so viel einfacher, eine Tochter zu lieben – aber dasselbe behauptete Susan von ihrem Sohn.
Eine Dusche und eine Rasur hoben Neds Stimmung: eine Tasse Kaffee brachte ihn auf Touren. In zwanzig Minuten würde er Brookie und Dan wecken müssen, damit sie sich für die Kirche fertig machten. Er beschloss, die kostbare stille Zeit, die ihm verblieb, zu nutzen, um die Rechnungen durchzusehen. Alles war teurer, als es hätte sein sollen, und es versetzte ihm jedes Mal einen Stich, wenn er die Schecks ausschrieb. Zuerst kontrollierte er den Kontoauszug. Eine Abhebung von fünfhundert Dollar am letzten Montag vertrieb die letzte Schlaftrunkenheit. Er hatte am letzten Montag keinen solchen Betrag abgehoben, und Susan auch nicht. Jeder Betrag über zweihundert Dollar musste zwischen ihnen abgesprochen werden. Er hätte den Auszug am liebsten zerknüllt, aber er legte ihn sorgsam beiseite. Er konnte sich ohnehin erst morgen mit der Bank in Verbindung setzen.
Um sieben klingelte das Telefon. Ned hob ab. »Hallo.«
»Ned, du bist immer so früh auf wie ich, darum hoffe ich, du findest es nicht unverschämt, dass ich anrufe.« Josiah DeWitts sanfte Stimme klang ernst.
»Was kann ich für dich tun?«, erkundigte sich Ned.
»Du bist – du warst doch Maudies Anwalt, hab ich recht?«
»Ja.« Ned hatte nicht an Maude gedacht, seit er aufgestanden war. Die Erinnerung rief das Unbehagen, die nagenden Verdächtigungen zurück.
»Da sie keine lebenden Verwandten hat, möchte ich gern Anspruch auf den Leichnam« – er seufzte –, »oder was davon übrig ist, erheben und ihr ein anständiges Begräbnis geben. Es wäre nicht recht, sie auf einem Töpferacker zu verscharren.«
Da Josiah ein ausgemachter
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