Mrs. Murphy 19: Mausetot
weiter, mehr für ihr Baby und ihren Mann als für sich selbst. Sie wollte sichergehen, dass sie sie so wohlversorgt wie möglich zurücklieÃ, fürchtete aber, dass die Krankheit dreiÃig Jahre später ihr süÃes Baby befallen würde.
Franny griff nach Emilys Hand.
Emily legte ihre auf Frannys, nahm sie dann fort und hob sie. »Doktor Schaeffer.«
»Emily.«
Er war ihr Chirurg.
»Wann muss bei meiner Tochter mit Untersuchungen begonnen werden?«
Wenn ihm nur nicht so viel an seinen Patientinnen läge. Bekümmert, weil er Emily nicht retten konnte, weil er keine Frau retten konnte, bei der während der Schwangerschaft Krebs diagnostiziert wurde, sagte er: »Ich würde mit den Untersuchungen beginnen, sobald sie ihre Periode hat. Und mit Mammographie, sobald sich ihre Brüste entwickeln. Bei der Krankengeschichte Ihrer Familie ist das ganz wichtig, und wir können nur inständig hoffen, dass wir, wenn Teresa zu einem jungen Mädchen herangewachsen ist, ein gutes Stück weiter sein werden als heute.«
Emilys beide GroÃmütter hatten Brustkrebs gehabt. Auch ihre Mutter war daran gestorben.
Die Fragen wurden fortgesetzt, und Cory tat sein Bestes, um nicht zu viele Fachausdrücke zu verwenden.
Harry beobachtete Emily und erkannte, dass stimmte, was Regina und Jennifer ihr gesagt hatten: Sie hatte Glück gehabt. So schlimm eine Krebsdiagnose war, ihre Aussichten waren hervorragend. Sie war eigentlich keine tiefschürfende Denkerin. Ihre Interessen waren beileibe nicht oberflächlich; sie liebte Kunstgeschichte und Geschichte, und sie liebte natürlich die Farmarbeit â aber die ganz groÃen Fragen des Lebens hatte sie sich nie gestellt. Sie hatte nicht viele Gedanken auf ihren Lebenszweck verwendet, auf die Richtung, die ihr Volk nahm, auf die Brüchigkeit der Demokratie und des Lebens. Eigentümlicherweise war sie dem Eindringling in ihrer Brust dankbar. Wie konnte sie neben einer hübschen jungen Mutter mit null Chancen sitzen, ohne sich tiefsinnige Fragen zu stellen?
Die schmerzlichste war vielleicht: Lebe ich ein ausgefülltes Leben? Reiche ich anderen die Hand, sei es Mensch oder Tier? Trage ich wenigstens ein bisschen dazu bei, die Welt zu verbessern?
Sie wandte sich wieder der Gruppe zu, als Cory und Toni sich darauf einigten, sich nicht einig zu sein.
»Er hat mehr Vertrauen in diese Angelegenheiten als ich. Aber er ist der Arzt.« Toni lächelte.
Bei aller gelegentlichen Arroganz wollte Cory Leiden lindern, genau wie er Krebs heilen wollte. »Eine strenge Diät mit Vitaminen, der Verzicht auf zu viel Salz und Zucker sowie Bewegung können helfen. Ich glaube fest daran, dass in manchen Fällen die Heilung des Körpers in Gang gesetzt werden kann, wenn man sich durch Ernährung, Nahrungsergänzungsmittel und einen täglichen Spaziergang von anderthalb Kilometern etwas Gutes tut.« Er wurde lebhaft. »Der Körper will gesund sein. Ich sage es noch einmal, wir verstehen die Wechselwirkung zwischen gesundheitsfördernden Gewohnheiten und Krankheit nicht so, wie es nötig wäre. Der Schwerpunkt der westlichen Medizin liegt immer auf der Krankheit, nicht auf der Gesundheit. Wir sind mit Präventivmedizin kläglich weit zurück, aber ich glaube, der Körper will leben, er will gesund sein. Wie kann ich oder irgendein Arzt erklären, warum ein an Lungenkrebs sterbender Mensch urplötzlich gesund wird? Das Röntgenbild zeigt keine dunkle Masse mehr. Und dieser Mensch lebt noch zwanzig Jahre. Solche Vorkommnisse werden im Allgemeinen als ungewöhnlich betrachtet, als die Ausnahmen, die die Regel bestätigen, aber das glaube ich nicht. Ich glaube nämlich, dass bei besagtem Menschen die tiefsten Heilungsmechanismen des Körpers in Gang gesetzt wurden. Manchmal denke ich, wir â mit âºwirâ¹ meine ich die moderne Medizin â greifen da störend ein. Und ich bin nicht der Erste, der sich von der Technologie blenden lässt. Aber was übersehen wir? Was übersehe ich?«
Harry hätte nie damit gerechnet, dass Cory auch nur eine Spur Bescheidenheit an den Tag legen, dass er offen an sich zweifeln würde. Sie dachte an Annalises gestrigen leidenschaftlichen Ausbruch. Vielleicht kann ein sensibler Mensch nicht täglich mit den Emilys dieser Welt zu tun haben, ohne davon berührt zu sein.
Cory händigte jeder Frau ein Blatt Papier aus mit
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