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Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)

Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)

Titel: Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Kelsey Moore
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Besuch dort ziemlich verändert. Aber das war zu erwarten gewesen. Meine Erinnerungen rührten hauptsächlich von unzähligen Kinderfesten mit Little Earl und unseren Freunden in diesen Räumen her. Und das letzte Mal, dass ich über diese Schwelle getreten war, musste bestimmt zwanzig Jahre her sein, aus Anlass von Miss Thelmas Beerdigung.
    Das Innere war nun eine Mischung aus Altem und Neuem. Wo ich auch hinsah, kämpften Dekorationsgegenstände und Möbel aus der Zeit der ersten Mrs McIntyre mit denen, die ganz offensichtlich von ihrer Nachfolgerin in das Haus eingebracht worden waren. Der alte Eichentisch, an dem ich so oft gegessen hatte, nahm noch immer fast das gesamte Esszimmer ein, aber nun hing darüber ein gewaltiger, funkelnder, vergoldeter Kronleuchter. Darauf steckten hunderte von Glühbirnen, in denen nervöse orangene Lichter zuckten, die den Eindruck von Kerzenflammen erwecken sollten. Dieses Ding war sicherlich eine Anschaffung von Minnie.
    Familienbilder und von Miss Thelma gestickte Szenen teilten sich die Wände mit Fotos und Plakaten der jungen Minnie in einem glitzernden Badeanzug. Auf den Fotos stand Minnie auf der Bühne und schwenkte ein Set Spielkarten, oder man sah sie mit vor gespieltem Erstaunen offenem Mund, während Carl der Großartige sie über seinem Kopf schweben ließ.
    Ich hatte nie verstanden, warum Big Earl Minnie geheiratet hatte. Die beiden konnten, was ihren Charakter betraf, gar nicht unterschiedlicher sein, und ich hatte nie ein Anzeichen von echter Zuneigung zwischen den beiden erlebt. Aber als ich die alten Fotos von ihr betrachtete, die die Wände zierten, den Platz überm Kamin und so ziemlich jede andere sichtbare Fläche, wurde mir das Ganze ein wenig plausibler. Auf diesen Bildern wirkte sie ganz einfach glamourös und begehrenswert, ein exotisches und zauberhaftes Wesen mit geheimnisvoller Ausstrahlung. Wir hatten in Big Earl immer die Vaterfigur und einen Freund gesehen, aber war er nicht auch ein Mann wie jeder andere? Vielleicht hatte er, wenn er Minnie betrachtete, nicht die gehässige alte Frau gesehen, die nun auf der Veranda vor dem Haus saß und die Gäste mit den Worten begrüßte: »Danke, dass ihr gekommen seid. Wusstet ihr, dass ich im Laufe des Jahres sterben werde?« Vielleicht schaute Big Earl sie an und sah ein hinreißendes, lächelndes Showgirl, das ein zappelndes weißes Kaninchen aus einem Hut befreite. Vielleicht hatte diese Sichtweise auf Minnie ihm geholfen, die einsamen Jahre zu überstehen, bis er wieder mit Miss Thelma vereint war. Ich hoffte, dass es so für ihn gewesen war.
    Ich erblickte den Springbrunnen, von dem Mama mir bei ihrem Besuch in meiner Küche einige Tage zuvor erzählt hatte. Er nahm ein Viertel des Wohnzimmers ein und war ein noch größerer Schandfleck, als in Mamas Beschreibung. Er war fast zwei Meter hoch, und die beiden nackten Mädchen, die Mama mir geschildert hatte – eines hockend, während das andere es mit Wasser aus einem Krug übergoss –, waren lebensgroß und detailgetreu nachgebildet. Der Springbrunnen wurde von pinkem Licht aus Wandleuchtern über und hinter ihm beleuchtet, so dass die marmorne Oberfläche der Statuen den rosigen Schimmer von Haut bekam. Eines der Lämpchen, das unter der Wasseroberfläche des Bassins lag, funktionierte nicht mehr richtig. Das Licht flackerte an und aus, und so entstand der Eindruck, die Statuen würden zittern.
    Eine Stimme sagte: »Schwer nicht hinzusehen, oder?« Ich drehte mich um und sah Thelma McIntyre neben mir stehen. Stets vornehme Dame, hatte Miss Thelma aus Anlass der Beerdigung ihres Mannes ein geschmackvolles schwarzes Trauerkleid gewählt. Ihr Gesicht wurde von einem Schleier verhüllt.
    Ich nickte zustimmend, antwortete Miss Thelma aber nicht laut. Ich hatte gleich an dem Morgen, nachdem Mama mich wieder verlassen hatte, beschlossen, dass ich alle Geistererscheinungen für mich behalten würde. Ich wollte James nicht dem aussetzen, was wir alle mit Mama durchgemacht hatten, die uns mit ihren ständigen Dialogen mit dem einen oder anderen toten Freund beinahe in den Wahnsinn getrieben hatte. Außerdem war ich sehr zufrieden, ohne dass alle dachten, ich sei nicht mehr ganz bei Sinnen, und mir diesen Ach,-das – arme-Ding-kann-ja-nichts-dafür –Blick zuwarfen, mit dem die Leute meine Mutter immer bedacht hatten, nachdem es sich herumgesprochen hatte, dass sie dachte, sie könne mit Verstorbenen sprechen.
    Eine andere Stimme rief aus dem Esszimmer: »Hier

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