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Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)

Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)

Titel: Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Kelsey Moore
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Plainview, ganz gleich ob schwarz oder weiß, von Zeit zu Zeit den Rat einer Hexe. Manche tun es noch immer, aber heutzutage geben das nur noch die ärmsten und abergläubischsten der Leute zu, wie die, die in den kleinen Appalachee-Siedlungen draußen vor der Stadt leben.
    Als Mama zu der Hexe ging, erwartete sie sich einen Trank oder einen Wickel – Wickel waren bei Hexen damals sehr beliebt –, aber was sie bekam, waren bloß Anweisungen. Die Hexe erzählte ihr, dass das Kind käme, wenn sie um Punkt zwölf Uhr mittags hinauf in die Krone eines Platanenbaums klettere und ihr Lieblingskirchenlied singe.
    So waren die Hexen. Sie mischten immer einen Hauch von etwas unter, das von der Baptistenkirche anerkannt wurde – ein Gebet, etwas Spirituelles oder ein Lied, das vor der Gottlosigkeit der Lutheraner warnte. Das taten sie, damit die Menschen zu einer Hexe gehen konnten, ohne dass sie Angst haben mussten, am Ende mit ihrer unsterblichen Seele dafür zu bezahlen. Es befreite die Kundschaft der Hexen von ihren Schuldgefühlen und bewahrte die Hexen vor den Anfeindungen der Priester.
    Also schleppte meine Mutter eines windigen Tages eine klapprige, alte Leiter zu einer Platane am Waldrand hinter dem Haus. Mama lehnte die Leiter an den Stamm und kletterte hinauf. Dann machte sie es sich in einer Astgabel bequem, so bequem, wie es in ihrem Zustand eben ging, und fing an zu singen.
    Zum Spaß sagte Mama immer, dass sie, wenn sie etwas Ruhigeres ausgesucht hätte, etwas wie »Mary, don’t you Weep« oder »Calvary«, wohl nicht eine so eigensinnige Tochter zur Welt gebracht hätte. Aber sie entschied sich für »Jesus is a Rock«, wiegte sich zu diesem guten alten Gospel und ließ die Beine baumeln, bis sie aus Versehen die Leiter umstieß und nicht mehr herunterkam. Ich wurde um ein Uhr mittags geboren und verbrachte den restlichen Nachmittag auf der Platane, bis mein Vater uns von dort barg, als er um sechs von seiner Schreinerei nach Hause kam. Sie nannten mich Odette Breeze Jackson, als Hommage an meine Geburt unter freiem Himmel.
    Wie so oft, wenn ein Kind unter ungewöhnlichen Umständen zur Welt kommt, tauchten allerlei alte Leute auf und nutzten die Gelegenheit, um düstere Warnungen auszustoßen. Es war meine eigene Großmutter, die den Chor derer anführte, die mir eine verhängnisvolle Zukunft prophezeiten. Ihre Erklärung dafür war folgende: Wenn ein Kind über dem Boden zur Welt kam, dann werde es auch ohne die grundlegendste natürliche Angst geboren, nämlich ohne die Angst vor dem Fallen. Dies löse eine schreckliche Kettenreaktion aus, die darin gipfele, dass das Kind mit einem Leben in Furchtlosigkeit gestraft würde. Sie meinte, bei einem furchtlosen Jungen bestünde wenigstens noch eine geringe Hoffnung, dass er einmal zum Helden werde, aber aus einem furchtlosen Mädchen würde höchstwahrscheinlich eine leichtfertige Närrin. Auch meine Mutter akzeptierte dies als Tatsache, auch wenn sie mehr zu der Vorstellung tendierte, dass aus mir womöglich doch eine Heldin würde. Hierbei muss allerdings noch einmal daran erinnert werden, dass meine Mutter eine erwachsene Frau war, die es für eine gute Idee hielt, im zehnten Monat ihrer Schwangerschaft auf einen Baum zu klettern. Ihre Einschätzungen waren also mit Vorsicht zu genießen.
    Nahezu jeder, so schien es mir, glaubte, dass eine Geburt, die auf irgendeine Weise als nicht alltäglich gesehen werden konnte, ein schlechtes Omen war. Es kommt nie vor, dass die Leute sagen: »Glückwunsch, es ist dir gelungen, ein gesundes Baby zur Welt zu bringen, während du in diesem Ruderboot mitten auf dem See festsaßt.« Sie schütteln bloß den Kopf und flüstern sich gegenseitig zu, dass das Kind sicher einmal ertrinken werde. Keiner sagt je: »Du bist aber ein tapferes kleines Ding, hast dein Baby ganz allein in einem Hühnerstall geboren.« Sie sagen bloß, das Kind werde einmal dumm wie Vogeldreck sein, und dann behandeln sie es auch so, selbst wenn es ganz offensichtlich ein kleines Genie ist. Wie das todgeweihte Kind, das auf dem Wasser das Licht der Welt erblickt, und der Dummkopf, der zwischen Federvieh geboren wird, kam ich in einer Platane zur Welt und entwickelte so nie einen Sinn dafür, wann ich es lieber mit der Angst zu tun bekommen sollte.
    Da ich es nicht besser wusste, glaubte ich das, was man mir über mich sagte, und wuchs mit der Überzeugung auf, eine kleine schwarze Kriegerin zu sein. Und so stampfte ich durchs Leben, als sei ich die

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