Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)
los?«
»Richmond«, sagte sie, »ich kann nicht mehr mit dir leben.« Es kam ihr ganz leicht über die Lippen und klang vollkommen natürlich, obwohl ihr Herz so heftig klopfte, dass sie ihre eigene Stimme kaum noch hören konnte.
Er fragte: »Was willst du damit sagen?«
»Ich will damit sagen, dass ich es satt habe. Ich hab dich satt, uns satt. Aber hauptsächlich mich selbst. Und ich weiß, dass ich nicht mehr mit dir leben kann.«
Er stieß einen langgezogenen Seufzer aus und legte die Fernbedienung weg. Dann sprach er mit ihr in dem leisen, beschwichtigenden Tonfall, mit dem die Leute für gewöhnlich zu hysterischen Kindern oder hirngeschädigten Erwachsenen sprachen.
»Clarice, ich weiß wirklich nicht, was in dich gefahren ist, dass du meinst, du müsstest ausgerechnet jetzt so einen Wirbel machen. Aber ich möchte, dass du weißt, dass ich Verständnis für dich habe. Du hast in letzter Zeit eine Menge durchgemacht, mit Odettes Krankheit, den Problemen mit deiner Mutter und dem, was mit Barbara Jean los ist. Und ich verstehe auch, dass der Wechsel manche Frauen besonders hart trifft, die Hormone durcheinanderbringt und das alles. Aber ich finde, du solltest die Wahrheit nicht aus den Augen verlieren. Und die Wahrheit ist, dass ich nie behauptet habe, etwas anderes zu sein als der Mann, der ich nun mal bin. Nicht dass ich behaupten wollte, ich sei perfekt. Hör zu, ich bin durchaus bereit, meinen Teil der Verantwortung zu tragen, für die eine oder andere Situation, die dich vielleicht verletzt haben mag. Aber ich muss auch sagen, dass ich glaube, die meisten Frauen würden uns um die Ehrlichkeit, die zwischen uns herrscht, beneiden. Zumindest weißt du, wer dein Mann ist.«
Clarice nickte. »Du hast recht, Richmond. Du hast nie so getan, als seist du ein anderer als der Mann, der du nun mal bist. Und das ist für mich vielleicht auch das Traurigste daran. Ich hätte dir wirklich helfen sollen, ein besserer Mann als das zu sein. Denn, mein Schatz, der Mann, der du bist, ist einfach nicht gut genug.«
Das klang gemeiner, als sie beabsichtigt hatte. Sie war wirklich nicht wütend – na ja, nicht wütender als gewöhnlich. Sie war nicht sicher, was sie fühlte. Sie hatte immer angenommen, dass sie, wenn dieser Moment jemals käme, schreien und weinen würde und sich entscheiden müsste, ob sie seine Klamotten verbrennen oder ihm doch lieber im Schlaf die Eier an die Oberschenkel tackern würde, so wie das die Frauen in den T V -Talkshows am Nachmittag mit ihren untreuen Männern offenbar zu tun pflegten. Doch jetzt fühlte sie sich bloß so müde und traurig, dass kein Platz blieb für theatralische Szenen.
Richmond schüttelte ungläubig den Kopf und sagte: »Irgendetwas stimmt hier nicht. Wirklich, ich mach mir Sorgen um dich. Du solltest zum Arzt gehen oder so was. Das könnte das Symptom für etwas Ernstes sein.«
»Nein, es ist kein Symptom«, sagte Clarice ruhig, »aber vielleicht das Heilmittel.«
Richmond sprang vom Sofa auf. Der Schock und die Verwirrung waren plötzlich verflogen. Jetzt war er bloß noch zornig. Er fing an, auf und ab zu tigern. »Das ist auf Odettes Mist gewachsen, oder? Es muss ihre Idee gewesen sein, so oft wie du in letzter Zeit mit ihr zusammen warst.«
»Nein, da bin ich ganz allein drauf gekommen. Odettes Idee war es, dich schon 1971 zu kastrieren. Seither hat sie zu diesem Thema kein Wort mehr verloren.«
Er hörte auf herumzutigern und versuchte es mit einer anderen Methode. Er ging zu ihr und stellte sich dicht vor sie. Er setzte sein gekonntestes Verführerlächeln auf, legte seine Hände seitlich an ihre Arme und streichelte daran auf und ab.
»Clarice … Clarice«, flüsterte er, »wir müssen ja nicht so weitermachen. Wir finden einen Weg.«
Er zog sie an sich und sagte: »Hier ist mein Vorschlag. Lass uns zusammen eine kleine Reise machen. Wir könnten Carolyn in Massachusetts besuchen. Würde dir das gefallen? Oder ich könnte dir ein neues Auto kaufen, und dann fahren wir einfach zusammen los. Nur du und ich.«
Nun war sein Mund ganz dicht an ihrem Ohr. »Sag einfach, was ich tun soll, Liebling. Sag mir, was ich tun kann.« Das war Richmond in Höchstform, Richmond der Liebhaber. Dieser Teil ihrer Beziehung war immer perfekt gewesen. Aber wenn sie jetzt an seine herausragenden Fähigkeiten auf dem Gebiet der körperlichen Liebe dachte, musste sie auch an die unzähligen Stunden denken, in denen er diese Fähigkeiten mit anderen Frauen verfeinert
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