Mucksmäuschentot
legen, doch ich schlug wie wahnsinnig danach und kratzte mit den Fingernägeln in seinem Gesicht. Sobald er meine Hände auf den Boden drückte, entwand ich mich seinem Griff und drückte ihm die Nägel in die Augen. Ich zappelte und schrie und versuchte verzweifelt, sein erstickendes Gewicht von mir zu schieben. Ich musste nur die Hand unter meinen Rücken bekommen, wo das Messer lag. Dann wäre ich wieder im Vorteil. Wenn ich doch nur an das Messer könnte …
Aber er war zu stark. Trotz der Wunden, die ich ihm zugefügt hatte, trotz des Blutes, das aus seinem Hals strömte, war er immer noch zu stark für mich. Schließlich gelang es ihm, die Hände um meinen Hals zu legen. Sie schnitten mir wie ein Schraubstock abrupt die Luft ab. Weiße Lichter explodierten vor meinen Augen, und ich erkannte mit absoluter Gewissheit, dass ich sterben würde, wenn ich nicht in den nächsten Sekunden einatmete. Es gelang mir, meine brennenden Augen zu öffnen, und ich sah sein verzerrtes Gesicht widerlich nah vor mir. Seine Pupillen waren irre erweitert, und er biss die gelben Zähne aufeinander, während er das Leben aus mir herauswürgte. Ein winziger rosa Speichelfaden baumelte von seiner Unterlippe.
Dies ist das Letzte, was ich sehe,
dachte ich noch.
In meinem Hals gab etwas nach; es schien, als könnte er jeden Moment brechen. Ich berührte das Messer mit den Fingerspitzen, hatte aber keine Kraft mehr. Meine Arme lagen schlaff auf dem Boden. Mir blieb kaum noch Luft. Die weißen Lichter wurden größer und größer, bis sie mein ganzes Gesichtsfeld ausfüllten.
So ist es also, wenn man stirbt,
dachte ich,
das ist das Sterben – das ist das weiße Licht, von dem sie reden
–, und ich hörte auf zu kämpfen, auch im Geiste, schloss die Augen und gab auf und wartete auf den Tod, den eigentlichen Augenblick des Todes, und dann ertönte ein gewaltiger Knall, und das schwere Gewicht war wie durch einen Zauber verschwunden, und der furchtbare Druck an meiner Kehle auch.
Als ich die Augen öffnete, sah ich Mum, die das Schneidbrett mit beiden Händen hielt. Die Oberfläche aus weißem Marmor war mit dunklem Blut bespritzt. Sie hatte ihn mit solcher Gewalt geschlagen, dass er zur Seite geschleudert worden war und mich nur noch mit den Beinen berührte.
Wie durch ein Wunder war er noch bei Bewusstsein. Seine Augen starrten irre, sein Gesicht war eine Maske aus karminrotem Blut. Er stützte sich auf die Unterarme und wollte unter den Küchentisch kriechen, bevor der nächste Schlag niederging, doch Mum war zu allem entschlossen. Ich sah zu, wie sie ausholte, sorgfältig zielte, den Griff fester umfasste, damit er ihr nicht entglitt. Dann hob sie das Brett hoch über den Kopf.
Ich schloss die Augen, als es heruntersauste. Ich fürchtete mich vor dem obszönen Geräusch. Dennoch hörte ich den Aufprall und spürte, wie ein scharfes Stück Schädelknochen meine Wange streifte.
16
Die Uhr am Küchenherd zeigte 4.57 Uhr.
Ich saß an die Waschmaschine gelehnt und sog begierig Luft in meine brennende Kehle. Mum saß am Tisch, den Kopf in die Hände gestützt, und schluchzte leise.
Der Einbrecher war tot. Daran bestand kein Zweifel. Er lag ausgestreckt auf dem Boden, Kopf und Oberkörper unter dem Küchentisch. Seine Jacke war bis zu den Ohren hochgerutscht, und er hatte den rechten Arm ausgestreckt, als hätte er im Sterben nach etwas greifen wollen.
Sein Gesicht konnte ich nicht sehen – Gott sei Dank –, nur seinen Hinterkopf, den Mums tödlicher Schlag grotesk verformt hatte. Eine Blutlache bereitete sich um ihn aus, ein richtiges
Meer
aus Blut, das im hellen Licht glänzte. Es kroch langsam in dicken, öligen Zungen über die Fliesen, bis an die Füße der Schränke, den Herd, die kratzige Kokosmatte vor der Hintertür, die verstaubten Heizungsrohre und die Frühstücksbank. Ich dachte an die Zeile in
Macbeth
, die mir so seltsam erschienen war. Lady Macbeth erinnert sich an den Mord an Duncan und sagt: »Aber wer hätte gedacht, dass der alte Mann noch so viel Blut in sich hätte?« Jetzt konnte ich sie verstehen. Ich fragte mich beiläufig, ob Shakespeare jemals einen Menschen getötet hatte. Wie sonst hätte er so genau wissen können, wie man sich danach fühlt?
Wer hätte gedacht, dass der magere Einbrecher so viel Blut in sich hätte?
Die rote Flut bedrohte meine Füße, erstreckte sich vor mir, und ich wich ein Stück zurück, um die klebrige Pfütze nicht zu berühren. Weiter bewegte ich mich nicht – ich
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