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Mucksmäuschentot

Mucksmäuschentot

Titel: Mucksmäuschentot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon Reece
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Eine halbe Stunde später händigte man ihr fünf DIN -A3-Blätter aus.
     
    »Es ist absolut perfekt!«, rief Mum aufgeregt, als wir nach dem Abendessen im Wohnzimmer saßen. »Die Schächte befinden sich tief im Nationalpark und sind für die Öffentlichkeit gesperrt. Nach dem Fall Pugh sahen sich die Behörden gezwungen, das zu tun. Der Schacht, den ich im Sinn habe, ist über
dreihundert Meter
tief. Tommy Pugh ist damals nur in einen zweieinhalb Meter tiefen Instandhaltungsschacht gefallen, sonst wäre er nie wieder aufgetaucht.«
    »Aber wie willst du ihn finden, Mum? Der Nationalpark ist riesig.«
    »Ich bin schon einmal dort gewesen«, sagte sie. »Beim Fall Pugh habe ich eine Ortsbesichtigung der Minen durchgeführt. Ich bin den ganzen Tag dort gewesen. Die Führer haben mich mit ihrem Jeep kreuz und quer über den Berg gefahren. Es wird nicht leicht, aber wenn ich dort bin, fällt mir sicher alles wieder ein. Außerdem haben wir die Karten. Darauf ist alles ausgewiesen – jeder Hauptschacht, jeder Lüftungsschacht, jeder Stollen und jede Abbaukammer.«
    Ich wollte sie ausfragen, einen Fehler in ihrem neuen Plan entdecken, den sie übersehen hatte – wenn auch nur, weil sie meine eigenen Vorschläge so brüsk zurückgewiesen hatte.
    »Und wenn sie sich irgendwann entschließen, die Minen als Touristenattraktion wieder zu öffnen? Dann werden sie alles finden.«
    Mum war sichtlich erfreut über meine Frage. »Ich kann dir versprechen, dass sie die Minen nicht für Touristen öffnen werden.«
    »Wieso nicht?«
    »Weil sie vergiftet sind, Shelley. Das ist auch der Grund, aus dem die Minen in den 1840 er Jahren aufgegeben wurden – natürlich vorkommender Schwefelwasserstoff. In den zwanzig Jahren, in denen dort abgebaut wurde, starben über fünfzig Bergleute an dem Gas. Ihre Verwandten wollten die Bergbaugesellschaft verklagen – und sind natürlich gescheitert. Diese Minen sind eine Todesfalle!«
    Ich musste gestehen, dass mir der Plan sehr viel besser gefiel als alle anderen. Kein Vergleich zu der Vorstellung, alles im Garten zu vergraben. Dass Paul Hannigans Leiche im Rosenbeet verweste, war Geheimnis genug für einen einzigen Garten.
     
    Mum wollte mich nicht mitnehmen; es war schon neun, als sie bereit zum Aufbruch war, und sie konnte überhaupt nicht einschätzen, wann sie zurückkäme. Der Park war eineinhalb Stunden entfernt, und dann musste sie noch den richtigen Schacht suchen, bewaffnet mit fünf Karten und einer Taschenlampe.
    Ich half ihr, die Müllbeutel ins Auto zu bringen. Sie passten nicht alle in den Kofferraum, und ich musste drei auf den Rücksitz packen.
    »Sei vorsichtig«, bat ich sie und drückte ihre Hände.
    Ich hasste die Vorstellung, dass sie mitten in der Nacht nur mit einer Taschenlampe allein durch den riesigen Wald lief. Ich wusste aus eigener Erfahrung, wie schlecht sie im Dunkeln sehen konnte. Wenn nun der Boden plötzlich unter ihr nachgab und sie in einen dieser vergifteten Schächte stürzte?
    Was sollte ich dann tun? Was sollte ich tun?
    »Sei bitte, bitte vorsichtig, Mum.«
    Sie umarmte mich und sagte, alles würde gut.
    Ich sah ihr nach, als sie langsam davonfuhr, mit entschlossener Miene, Taschenlampe und Landkarten neben sich auf dem Beifahrersitz. Ich eilte zurück ins Haus, die Augen fest auf den Boden gerichtet, damit ich nicht versehentlich einen Blick aufs Rosenbeet warf.
     
    Ich saß am Esstisch und versuchte, die Hausaufgaben nachzuholen, mit denen ich ganz schön in Verzug geraten war. Ich hatte gerade den Aufsatz über den Ersten Weltkrieg fertig geschrieben. Es standen noch eine weitere Arbeit für Geschichte an, zwei englische Aufsätze und eine Frage in Erdkunde, ganz zu schweigen von den Wiederholungsaufgaben für Mathe, die Mrs Harris mir gestellt hatte.
    Seit der Nacht, in der wir Paul Hannigan getötet hatten, war es um meine Konzentration schlecht bestellt – alle paar Minuten überfielen mich Bilder von unserer Küche, die sich in ein Schlachthaus verwandelt hatte, und zwangen mich, noch einmal den tödlichen Tanz mit dem Einbrecher zu durchleben. Wenn ich zu mir kam, wusste ich kaum, wo ich war, so als hätte man mich mit einem Fingerschnippen aus einer Hypnose geholt. Dadurch brauchte ich vier oder fünf Stunden für einen Aufsatz, den ich sonst in zwei geschafft hätte.
    Ich machte mich gerade an einen von Rogers englischen Aufsätzen
(Macbeth entwickelt sich innerhalb von fünf Akten von einem Mann, der »zu voll von Milch der

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