Mueller, Carin
ihren Schreibtisch sinken, doch ehe sie antworten konnte, klingelte ihr Telefon. Dankbar für die Ablenkung ging sie sofort ran, allerdings verdüsterte sich ihr erfreuter Gesichtsausdruck bereits nach Sekunden wieder. Es war ihre Nachbarin Franziska Förster. »Franziska, was gibt’s denn so Wichtiges, dass du mich im Büro anrufst?« Als würde sie ihr nicht schon ständig im Treppenhaus auflauern … »Die Wohnung im ersten Stock?« Offenbar wollte die Nachbarin ihr schon wieder irgendwelche Mieter aufschwatzen. Antonella zögerte, dann kam ihr eine großartige Idee: »Tut mir leid, Franziska, aber die Wohnung ist inzwischen vergeben. Meine Freundin Katia wird dort einziehen!« Mit einem ausgesprochen zufriedenen Lächeln legte sie auf. »Was ist?«, fragte sie Jenny, die sehr erstaunt aus der Wäsche schaute. »Das ist doch die perfekte Lösung! Es ist wohl illusorisch, dass Kathi in absehbarer Zeit verschwindet, und ehe sie weiterhin meine ganze Wohnung mit ihrem Chaos belegt, soll sie das lieber mit Georgias tun.«
»Die Sache hat nur einen Schönheitsfehler«, warf Jenny ein, »wenn Katia kein Geld hat, wie soll sie dann Miete zahlen können?«
Antonella winkte nur ab, solche lächerlichen Details waren ihr im Augenblick völlig egal. »Ich habe für die Wohnung jetzt schon zwei Monate keine Miete mehr bekommen, und außerdem müsste ich sie erst einmal ausräumen, Georgia hat ja den Großteil ihrer Möbel hiergelassen. Das ist perfekt für Kathi, da kann sie mal wieder echtes Leben proben – mit Einkaufen, Waschen, Putzen und so. Und wer weiß, vielleicht sucht sie sich ja mal einen Job oder heiratet den nächsten reichen Sack. So ist mir das jedenfalls tausendmal lieber, als Katia weiterhin in unserem Gästezimmer zu haben – und weitere Mitglieder der Mutti-Mafia im ersten Stock.«
»Hallo, ihr Hübschen!« Christian war mit einem triumphierenden Lächeln ins Loft gerauscht gekommen und verkündete: »Wir haben den Praxis-Auftrag bekommen!« Er strahlte stolz übers ganze Gesicht. »Und ich habe ihm sogar unser Premium-Package verkaufen können.«
»Ich wusste, dass du das hinkriegst!«, sagte Jenny begeistert. »Du bist ein echtes Naturtalent. Möchtest du einen Kaffee? Ich habe auch selbstgebackene Schokomuffins.«
»Das wäre ganz toll. Du bist ein echter Schatz, Jenny.« Er drückte ihr einen dicken Kuss auf die Wange, und Jenny schwebte buchstäblich in die Teeküche.
»Gratuliere! Kann man dich also doch auf die Straße lassen?« Antonella schmunzelte. »Aber eine Frage hätte ich: Was genau beinhaltet unser ›Premium-Package‹?«
»Nichts weiter, außer dass er dreißig Prozent mehr zahlt, wenn du jeden Raum mit ›design by ada‹ signierst.« Er grinste breit.
»Du bist ein ganz schönes Schlitzohr.« Sie zwinkerte ihm verschwörerisch zu. »Gut gemacht! – Ich hätte übrigens auch gerne einen Kaffee und einen Muffin, wenn es nicht zu viel Mühe macht!«, rief sie Jenny hinterher.
»Ich habe auch noch etwas anderes.« Christian kramte in seiner Umhängetasche, zog ein Hochglanzmagazin heraus und drückte es Antonella in die Hand.
»Autsch!«, sagte sie. Die aktuelle Titelstory lautete »So starb er in meinen Armen«. Für das Foto hatte sich eine ganz in Schwarz gekleidete Annalena mit einem Bild von Katias Mann Aris im Arm auf einem Sofa drapiert. Sie war zurechtgemacht wie eine sizilianische Witwe und blickte mit waidwundem Blick in die Kamera. Antonella blätterte im Heft, bis sie die ganze Geschichte fand. Dort standen erbauliche Details zur Todesursache (»Wahrscheinlich hat der Kummer über die Lieblosigkeit seiner Ehefrau sein Herz geschwächt!«) und zur Beerdigung (»Aris wird verbrannt, und ich werde im April seine Asche ins Meer streuen. Eigentlich wollten wir gemeinsam auf Kreuzfahrt gehen …«). »O Mann …«
»Was ist denn?« Jenny war mit einem Tablett wieder aus der Teeküche zurückgekehrt und reichte jedem eine Tasse Kaffee und einen Muffin, dann überflog auch sie die Geschichte. »Also, wenn man das so liest, könnte man schon den Eindruck bekommen, dass diese Katia ihn in den Tod getrieben hat«, sagte sie.
»Entweder das, oder dieser Aris wollte ihr wirklich fies eins reinwürgen. Und in jedem Fall stellt sich die Frage: Hat sie es vielleicht verdient?« Christian zeigte gerade eine sensationslüsterne Seite seines Wesens, die Antonella bei dem sonst so korrekten jungen Mann nicht vermutet hatte. »Jedenfalls würde ich die mysteriöse Katia langsam
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