Mueller, Carin
anstrengend entpuppt. Es war völlig offensichtlich, dass Katia sich in den letzten Jahren mit so profanen Dingen wie Hausarbeit keine Sekunde lang beschäftigt hatte. Und auch wenn sie sich bescheiden und dankbar gab – »Macht euch bloß keine Umstände, ich weiß gar nicht, was ich ohne euch tun würde …« –, hatte Antonella das Gefühl, plötzlich ein weiteres Kind zu haben. Ein ziemlich verwöhntes Kind, das nicht mal im Traum auf die Idee kam, schmutziges Geschirr in die Spülmaschine zu räumen. Von anspruchsvolleren Aufgaben wie Wäschewaschen oder gar Essenkochen mal ganz zu schweigen … Außer sich um ihren Hund zu kümmern, machte Katia im Grunde gar nichts, so schien es jedenfalls Antonella. »Sie hat angeboten, dass sie auch mit Hugo Gassi gehen könnte«, erzählte sie Jenny, »aber das funktioniert überhaupt nicht. Olga will ständig mit ihm spielen, ihn jagen und rumtoben, und unser kleiner Fettsack hier möchte exakt seine vertraute Runde gehen, an den wesentlichen Stellen sein Bein heben und ansonsten seine Ruhe haben.« Antonella tätschelte den schwarzen Mops, der es sich unter ihrem Schreibtisch gemütlich gemacht hatte. »Gestern Abend habe ich mir Olga geschnappt und bin mit ihr im Park joggen gewesen. Da war Hugo tödlich beleidigt. Aber wehe, ich will mit ihm mal rennen. Da bleibt er wie angewurzelt sitzen und bewegt sich keinen Millimeter.«
»Ist doch völlig klar«, warf Jenny ein, »Hugo ist eifersüchtig! Er hat sich endlich an dich gewöhnt, und jetzt hat er Angst, dass du ihn abschiebst. Ist dir noch nicht aufgefallen, dass er dir schon die ganze Woche nicht von der Seite weicht?«
»Ist es, glaub mir. Ich bin schon zweimal über ihn gestolpert! Und ich fand’s angenehmer, als er mir noch aus dem Weg gegangen ist …«
»Jetzt tu doch nicht so. Du hast ihn doch inzwischen auch richtig gern! Mir kannst du’s ruhig sagen, ich verrate es bestimmt nicht weiter.« Jenny grinste verschwörerisch.
»Wie auch immer, Hugo ist im Augenblick wirklich mein geringstes Problem. Adrian hat ein paarmal mit den englischen Anwälten von Katias Mann gesprochen und sich den Ehevertrag und das Testament faxen lassen. Wie es aussieht, ist sie tatsächlich völlig blank.«
»Aber das ist ja schrecklich!«
»Natürlich ist es schrecklich«, fuhr Antonella fort. »Doch irgendwie muss es ja auch weitergehen. Katia kann nicht ewig bei uns im Gästezimmer hausen und sich von mir bedienen lassen.«
»Hat sie denn keine Familie in Deutschland?«
»Doch, ihre Eltern in München. Aber davon will sie gar nichts hören. Sie hat seit fünfzehn Jahren keinen Kontakt mehr zu ihnen und will sich auch jetzt partout nicht bei ihnen melden. Und irgendwie kann ich das sogar verstehen … Nichtsdestotrotz brauche ich bald eine Lösung. Ich habe so viel zu tun und komme zu gar nichts mehr. Ist ja mit Elisa schon alles kompliziert genug.« Antonella seufzte schwer. »In sieben Wochen ist Möbelmesse in Mailand, und da wollte ich meine Lampenentwürfe vorstellen. Aber ich schaffe es nicht mal ansatzweise, auch nur die Prototypen zu bauen … Ich bin gespannt, wie Christian sich schlägt«, wechselte sie abrupt das Thema. Christian Weiler war jetzt fünf Wochen mit im Team und hatte heute seinen ersten Kundentermin. Ein Augenarzt wollte seine Praxis aufgehübscht bekommen, aber »erst einmal in einem persönlichen Gespräch die Arbeitsweise der Agentur kennenlernen«. Termine dieser Art hasste Antonella wie die Pest und hatte beschlossen, dass sich daran zukünftig Christian versuchen sollte. Wenn er den Arzt nicht überzeugen konnte, wäre es kein Drama, falls doch – gut, dann hätten sie noch mehr Arbeit.
»Hach, der Christian macht das bestimmt ganz toll!« Jenny klang so enthusiastisch, dass Antonella alarmiert aufschaute.
»Jenny!?«
»Ja?«
»Du bist doch nicht etwa in Christian verknallt?«
Die Sekretärin errötete leicht, beteuerte jedoch eine Spur zu vehement: »Natürlich nicht!«
»Gut, denn daraus würde sowieso nichts werden.«
»Wieso denn?«
»Schätzchen, unser lieber Chrissi interessiert sich nicht für kleine Mädchen!«
»Ich bin kein kleines Mädchen!«, empörte sich Jenny.
»O mein Gott, Jenny! Sag bitte, dass du Witze machst!« Antonella starrte fassungslos ihre Mitarbeiterin an, die ihr einen verwunderten Blick aus ihren graublauen Kulleraugen zurückwarf. »Herzchen, Christian ist schwul!«
»Oh!?«
»Ja!«
»Bist du sicher?«
Antonella ließ sich mit dramatischer Geste auf
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