Mueller, Carin
Jedenfalls tauchte sie eines Tages bei uns zum Kaffee auf und hatte Oskar dabei. Den stellte sie strahlend als ihren Verlobten vor. Da hatte sie dieses Kleid an und sah großartig aus. Ich bin mir sicher, sie hätte nichts dagegen, wenn du es jetzt trägst!«
»Ich müsste es nur minimal ändern, genau wie den Rock hier. Antonella müsste irgendwo eine Nähmaschine haben.«
»Du kannst nähen?« Rosi musterte sie skeptisch. »Wenn ich da an das Debakel von vorgestern denke, als du dir selbst die Haare gefärbt hast …«
Katia rollte mit den Augen. Ja, das Haarefärben war nicht so toll gewesen. Zumindest nicht für das Badezimmer. Ihre Haare sahen ziemlich akzeptabel aus – für Drogeriefarbe –, aber das Bad und die Handtücher hatten schlimm gelitten. Die Fließen und die Badewanne hatte sie mit Rosis Hilfe wieder sauber bekommen, aber die Handtücher würde zukünftig nur noch Olga benutzen. Doch daraus auf eine generelle Lebensunfähigkeit zu schließen, fand sie schon ein bisschen unfair. »Ja, ich kann nähen!«, sagte sie deshalb bestimmt. »Ich habe als Teenie meine ganzen Klamotten selbst gemacht und wollte sogar Modedesign studieren. Ich bin mir ganz sicher, dass ich es nicht verlernt habe!«
Drei Stunden später stand Giovanni vor der Tür. Auch er musste sich seine tägliche Dosis Oma Rosi abholen, zusammen mit dem Abendessen. In seinem Fall war das Thema der Wahl jedoch sein anhaltender, hartnäckiger Junggesellenstatus. »Es ist einfach nicht zu fassen, Bub, du bist zweiundvierzig Jahre alt und ein richtiger Windhund! Hansi, ich sag dir, das wird noch böse mit dir enden. Glaubst du etwa, Frauen im heiratsfähigen Alter wollen einen angejahrten Windhund haben? Stimmt’s nicht, Kathi?« Katia musste an dieser Stelle immer zustimmend nicken, doch es fiel ihr täglich schwerer, dabei ernst zu bleiben. Diesmal verschluckte sie sich vor Lachen beinahe an der Grießnockerlsuppe, die es heute vor dem Hauptgang gab, denn: »Vom Fisch alleine wird man ja nicht satt!«
»Vielleicht hat ja Kathi Interesse an einem Windhund«, warf Giovanni nun ein und zwinkerte ihr verschmitzt zu. »Du siehst übrigens toll aus! Neues Kleid?«
Moment mal, das war eine nicht autorisierte Abweichung vom Protokoll, dachte Katia, doch ehe sie reagieren konnte, stieß Rosi einen begeisterten kleinen Schrei aus. »Das ist ja die Lösung schlechthin! Dass ich da nicht selbst drauf gekommen bin. Kathi und Hansi, das ist einfach perfekt. Ihr habt euch doch schon als Kinder so gerngehabt, oder? Und Bub, das Kleid, das sie trägt, stammt von deiner Großtante Elsa. Die hatte es an, als sie uns ihren zukünftigen Mann vorgestellt hat. Das ist ein Zeichen!«
»Ja, und vielleicht ein klitzekleines bisschen voreilig«, warf Giovanni ein.
Allerdings wurde er sofort wieder von seiner Großmutter unterbrochen, die nun begann, Katias Vor- und Nachteile zu beleuchten: »Das ist kein bisschen voreilig! Man muss doch auch bedenken, dass sie nicht mehr die Jüngste ist. Und verheiratet war sie auch schon. Aber das ist ja in ihrem Alter keine Schande. Wenigstens ist sie nicht geschieden, sondern verwitwet, dann könnt ihr problemlos kirchlich heiraten. Und schau sie dir doch an, für Mitte dreißig ist sie wirklich gut in Schuss. Sie behauptet zwar, dass sie zu dick ist, aber das ist doch völliger Unsinn!«
»Kompletter Unfug!«, bestätigte Giovanni mit einem frechen Grinsen.
Katia wäre jetzt gerne gestorben oder wenigstens auf der Stelle in einem tiefen, schwarzen Loch versunken. Immerhin verfolgte Rosi das Thema nicht weiter, sondern räumte die Suppenteller ab und machte sich am Fisch zu schaffen. Giovanni nutzte die unverhoffte Pause für einen abrupten Themenwechsel. »Zurzeit ist echt viel los, der Laden brummt. Und Antonella hat mich vorhin angerufen und erzählt, dass sie vielleicht einen Hersteller für ihre Lampen gefunden hat. Allerdings hat sich gestern die Schneiderin, die die ganzen Näharbeiten für uns macht, den Arm gebrochen und fällt für mindestens sechs Wochen aus.«
Katia rang sich einen mitfühlenden Blick ab, aber eigentlich hörte sie kaum zu. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt, sich von dem peinlich-plumpen Verkupplungsversuch zu erholen.
»Christian und Jenny waren heute den ganzen Tag in totaler Panik, weil sie versucht haben, einen Ersatz zu finden, denn offensichtlich war die Schneiderin mitten in einem großen Auftrag für eine Wohnung, die nächsten Mittwoch fertig sein muss. Ich glaube, sie sind
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