Mueller, Carin
achtjährigen Jungs hätten sicherlich keine Sekunde länger durchgehalten, und auch Elisa war aus dem Häuschen und völlig überwältigt vom Anblick des leuchtenden Weihnachtsbaums und der vielen Geschenke.
»Na, wie sehe ich aus?«, fragte Katia Olga. Es war kurz vor sechs, und sie hatte alles so weit vorbereitet. Die Wohnung sah aus wie ein Weihnachtswunderland, und sie selbst hatte tief in Tante Elsas Kleiderfundus gewühlt. Gefunden hatte sie ein tief dekolletiertes, flaschengrünes Cocktailkleid mit weit schwingendem knielangem Rock. In ihren Ohren glitzerten die Tiffany-Ohrringe von Max, nur auf eine Kette hatte sie verzichtet – vielleicht brauchte sie den Platz um ihren Hals ja heute noch. Olga klopfte anerkennend mit dem Schwanz auf den polierten Holzboden. Katia hatte ihrem Hund zur Feier des Tages eine große rote Samtschleife um den Hals gebunden. Der Champagner lag auf Eis, der Kaviar ebenfalls, und aus der Stereoanlage klang dezenter Jazz. Fehlte nur noch Max. Katia war sehr gespannt auf die angekündigte Überraschung, aber auch ein wenig nervös. Nein, Christian hatte bestimmt Unrecht! Max würde ihr keinen Heiratsantrag machen, sie kannten sich doch erst seit ein paar Wochen. Nie im Leben! Bitte nicht!!
Irgendwie war letztes Jahr zu Weihnachten alles entspannter gewesen, dachte Giovanni. Letztes Jahr war er über die Feiertage in den Urlaub geflohen. Knapp drei Wochen Australien waren es gewesen, mit Strand, gutem Wein und dieser absolut spektakulären Landschaft. Und jetzt? Jetzt war er auf dem Weg zu einer Frau, die ihm im Grunde seines Herzens völlig gleichgültig war. Er ahnte, dass Anuschka das wohl etwas anders sah und sich ernsthafte Hoffnungen machte. Er würde das schnell aufklären müssen, damit nicht noch jemand unnötig leiden musste. Aber vielleicht nicht gerade heute … Und an alldem war überhaupt nur Katia schuld, die sich vermutlich gerade mit diesem stinkreichen Schnösel vergnügte. »Soll ich Max wieder abservieren, nur weil mir Giovanni eine Wurfbox gebaut hat?« Dieser Satz dröhnte ihm seit Tagen in den Ohren. Er hatte es so satt! Alles. Er hatte keine Lust mehr, mit irgendwelchen jungen Mädchen auszugehen und den feurigen Latin Lover zu geben. »Scheiße, ich bin zweiundvierzig und mache mich völlig lächerlich«, murmelte er vor sich hin. »Und alles wegen einer Frau, die mich nicht liebt.« Inzwischen war er vor Anuschkas Haus angekommen und versuchte seine destruktiven Gedanken abzuschütteln. Er setzte ein Lächeln auf und klingelte.
»Ich kann wirklich nichts mehr essen!«, protestierte Jenny, als ihre Mutter nach dem Dessert nun auch noch mit Kuchen ankam. Ihr Elternhaus platzte aus allen Nähten, so viele Verwandte waren da, und jeder hatte etwas zum Festmahl beigesteuert. Und jetzt kamen wohl noch mehr, denn gerade hatte es geklingelt. Eigentlich war es ein schöner Nachmittag gewesen – sie hatten bis jetzt im Grunde nur gemütlich beisammengesessen und gegessen. Gleich wollten sie alle in die Kirche gehen, dann gäbe es Bescherung und anschließend die nächste Mahlzeit. Alles könnte so schön sein, wenn sie nur Tom erreicht hätte, aber der schien wirklich vom Erdboden verschwunden zusein. Ihre Cousine hatte auch nichts Hilfreiches zur Aufklärung beitragen können. Ganz im Gegenteil. Lisa hatte ihren Verdacht eigentlich nur noch bestätigt, denn sie hatte relativ einsilbig und vage auf ihre Fragen geantwortet. Jenny merkte, wie sich ihr Hals zuschnürte und ihre Augen wieder feucht wurden. Nein, sie würde jetzt nicht weinen! Nach der Bescherung würde sie sich abseilen und auf Christians Party die ganze Nacht tanzen!
»Jenny, kommst du mal bitte? Es ist Besuch für dich da!«, rief ihr Vater aus dem Flur.
»Kann ich dir helfen?« Antonella war zu ihrer Schwiegermutter in die Küche gekommen, wo Brigitte das Abendessen vorbereitete.
»Du könntest den Tisch decken. Ich habe schon alles an Geschirr, Gläsern und Besteck hergerichtet.«
Antonella ging ins Esszimmer, sehr erleichtert, dass bisher alles so entspannt abgelaufen war. Ihr Schwiegervater hatte sich sehr über die Tischlampe aus ihrer Kollektion gefreut, die sie mitgebracht hatte, und selbst Brigitte hatte, wenn auch kein Lob über ihre Lippen gekommen war oder sie übertriebene Dankbarkeit gezeigt hätte, zumindest nichts an diesem Geschenk auszusetzen gehabt. Sie war gewillt, das als eine beginnende Eisschmelze zu werten, und begann, den Tisch zu decken. »Hat sich eure Mutter verzählt,
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