Mueller, Carin
Knöchel hatte sie eine weitere kleine Kugel an einem Satinband gebunden. »Du und dein Bruder, ihr habt echt sensationelle Gene abbekommen. Weißt du, dass du Wahnsinnsbeine hast?«, fragte er bewundernd.
»Ja, aber seit wann interessieren dich mein Bruder und Frauenbeine?«
»Ich bin schwul, aber nicht blind. Obwohl, wenn ich dich länger anstarre, bekomme ich vielleicht eine Sehstörung, dieses Kleid ist wirklich sehr pink!«
»Für Elisa habe ich ein ähnliches besorgt. Wir müssen für ein bisschen Farbe bei der beschaulichen Bescherung in Königstein sorgen. Das wird sonst zu hellgrau-beige.«
»Wo ist die Kleine eigentlich? Und dein Mann?«
»Die machen noch einen kleinen Spaziergang. Ich musste noch ein paar Geschenke einpacken und mich fertig machen. In einer halben Stunde fahren wir jedenfalls los«, sie seufzte bedauernd. »Aber jetzt zeig mal, was hast du da?« Er überreichte ihr seine Geschenke. Sie öffnete die Dose. »Toll! Ist das ein Wink mit dem Zaunpfahl, dass du eine Gehaltserhöhung haben möchtest?« Sie biss grinsend in einen rosa Stern.
»Nein!«, empörte er sich. »Ich wollte dir und deiner Familie nur frohe Weihnachten wünschen!«
»Das ist lieb, aber dafür müsste schon ein Wunder geschehen.«
»Ach komm, so schlimm wird es schon nicht werden. Sind nicht Adrians Schwester und ihre Kinder auch da? Das wird doch bestimmt total süß mit den Kleinen.«
»Ja, das wird sicher nett«, lenkte sie ein. »Aber hier fände ich es noch schöner. Schau mal«, sie öffnete die Flügeltür zum Wohnzimmer. Mitten im Raum stand ein riesiger Baum, der kunterbunt geschmückt war – unter anderem mit pinkfarbenen Glitzerschweinen. »Letztes Jahr hat Elisa von Weihnachten ja noch nicht viel mitgekriegt, aber dieser Baum haut sie bestimmt total um.«
»Der haut auch mich völlig um! Wahnsinn!«
»Na ja, wir feiern hier morgen nach. Und heute werde ich das auch irgendwie überstehen, obwohl es schwer wird, so ganz ohne Alkohol …«
»Du schaffst das! Und anschließend kommt ihr zu meiner Party. Mit dem Kleid hast du den Kostümwettbewerb auf jeden Fall gewonnen.«
»Na, wie war’s?«, fragte Marius, als Christian nach seiner Runde wieder zurückkam. »Kommen sie alle zu unserer Fete?«
»Es war schön. Sie haben sich alle gefreut, aber ob sie kommen? Keine Ahnung. Ich nehme an, Katia und Antonella eher nicht, aber vielleicht Giovanni und seine Flamme. Und Jenny! Um die mache ich mir wirklich Sorgen. Alle anderen verbringen den Tag mit ihren Liebsten, aber die Kleine hat diesen seltsamen Tom nicht mal erreicht. Sie glaubt, dass er mit ihr Schluss machen will. Ich sag dir, wenn sie um Mitternacht nicht auf der Party ist, hole ich sie persönlich ab!«
»Huhu, wir sind wieder da! Bist du fertig?«, rief Adrian aus dem Flur.
»Gerade fertig geworden«, antwortete Antonella und schleppte zwei große Taschen mit Geschenken aus der Küche. »Ich muss nur noch Sternchen umziehen, und dann können wir los.«
»Ihr seht aus wie zwei bunte Knallbonbons«, stellte Adrian amüsiert fest, als Antonella kurze Zeit später mit Elisa im Schlepptau aus dem Kinderzimmer kam. Auch Elisa trug jetzt ein pinkfarbenes Kleidchen mit passenden Ballerinas und Haarklammern in den dunklen Locken.
»Ist sie nicht zum Fressen süß?«
»Genau wie die Mama! Nehmt ihr mich so überhaupt mit?« Adrian sah in den Spiegel. Er trug einen dunkelblauen Anzug und ein rosa Hemd. »Ich kann nicht wirklich mit euch mithalten, fürchte ich.«
»Das haben wir gleich«, grinste Antonella, ersetzte die Manschettenknöpfe durch winzige pinke Christbaumkugeln und stecke ihm ein pinkfarbenes Einstecktuch ins Sakko. »Perfekt!«
Der Nachmittag bei Adrians Eltern verlief erstaunlich harmonisch – was sicherlich in erster Linie daran lag, dass Adrians Schwester Charlotte mit ihrem Mann Riccardo und den Söhnen Lorenzo und Paolo zu Besuch war. So hielten sich die Bemerkungen von Mutter Stern in einem einigermaßen erträglichen Maße, auch wenn sie sich ein paar Spitzen bezüglich Antonellas Outfit nicht verkneifen konnte: »Ich hatte so gehofft, dass du dich ausnahmsweise mal dem Anlass angemessen kleiden würdest, aber nun ja, eine Gisela wird wohl nicht mehr aus dir.« Da aber alle anderen, inklusive des eigenen Ehemanns, sofort und vehement für Antonella Partei ergriffen hatten, blieb Brigitte nichts als schmallippiges Schweigen. Nach Kaffee und Kuchen gab es gegen fünf Uhr endlich die große Bescherung – die sechs- und
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