Mueller, Carin
jammerschade, dass ich mich nicht sinnlos zudröhnen kann. Wann bitte, wenn nicht in so einer Situation? Und warum grinst du überhaupt so? Das ist nicht lustig!«
»Stimmt, das ist nicht lustig, aber du hast mir trotzdem gerade den Abend gerettet! Ich dachte schon, ich wäre der größte Dreckskerl in der Stadt, aber Adrian schlägt mich um Längen. Hätte ich meinem Schwager gar nicht zugetraut …« Giovanni klang fast ein wenig bewundernd.
»Ich allerdings auch nicht!«, erwiderte seine Schwester sarkastisch. »Wie man sich täuschen kann. Aber jetzt will ich zur Aufmunterung von deiner Heldentat des Tages hören!« Sie bestellte sich einen Gin Tonic ohne Gin und lauschte kopfschüttelnd den brüderlichen Abenteuern. »Das arme Mädel, das hat sie wirklich nicht verdient! Und überhaupt, Dessous. So was geht doch meistens schief. Aber wie konntest du dich so in der Größe irren?«
Er zog BH und Slip aus seiner Sakkotasche und betrachtete beide Teile sinnierend. »Da habe ich wohl an jemand anderen gedacht …«
»Wirklich, die Welt wäre ohne euch Idioten viel besser dran!« Unter den interessierten Blicken der Umstehenden nahm sie ihm die Unterwäsche ab und stopfte sie ihm wieder ins Sakko. »Zur Strafe musst du jetzt mit mir tanzen!«
Eine Stunde später standen Katia und Adrian endlich vor der Tanzschule. Sie hatten so lange gebraucht, weil Katia erst umständlich neues, passendes Schuhwerk zu ihrem Kleid finden musste. Dann hatten sie das Auto gesucht und nicht gefunden, ein Taxi gerufen, das nicht kam, und schließlich beschlossen, zu Fuß zu gehen und Olga mitzunehmen. Dafür musste Katia sich erneut umziehen. Adrian war inzwischen völlig mit den Nerven am Ende, auch weil Antonella auf keinen seiner Anrufe reagierte. »Was, wenn sie gar nicht auf der Party ist, sondern einen Unfall hatte?«
»Dann hätte dich doch bestimmt schon die Polizei angerufen!«, versuchte sie ihn zu trösten. An seinen Arm geklammert hatte sie sich mehr oder weniger von ihm und Olga durch die Straßen zerren lassen, denn die Stiefel, die sie jetzt trug, hatten hohe Pfennigabsätze und fanden auf dem schlüpfrigen Schneematsch überhaupt keinen Halt. Währenddessen erzählte sie ihm hysterisch kichernd von ihrem Abend mit Max.
»Sag mal, bist du betrunken?«, fragte er ächzend, als sie kurz vorm Ziel wieder mal ins Straucheln gekommen war und er sie auffangen musste.
»Vielleicht ein kleines bisschen beschwipst … Gehen wir rauf?«
»Hoffentlich ist sie da!«
Sie war da und schien sich prächtig zu amüsieren. Jedenfalls tanzte sie ausgelassen mit einem Nikolaus, der einen guten Kopf kleiner war als sie. Adrian fiel ein riesiger Stein vom Herzen, als er sie sah.
»Ich hab’s dir doch gesagt!«, stellte Katia triumphierend fest und schlängelte sich, als von ihm keine Antwort kam, durch die wogende Menge in Richtung Bar. »Haben Sie Champagner?«, fragte sie den Barkeeper, der aus für sie nicht nachvollziehbaren Gründen einen nackten Oberkörper hatte und ein glitzerndes Geweih trug.
»Leider nur Sekt«, sagte der Geweihträger bedauernd.
»Egal, Hauptsache, es prickelt!« Er reichte ihr ein Glas, und sie trank einen großen Schluck.
»Kathi, Perle meiner tränenden Augen, was machst du denn hier?« Sie verschluckte sich fast, als Giovanni vor ihr auftauchte und sie herausfordernd angrinste. »Ich war mir ganz sicher, dass du dich gerade mit Mad Max auf golddurchwirkten Laken wälzt und Champagner aus seinem Bauchnabel schlürfst.«
Unwillkürlich musste sie kichern. »Und ich dachte, dass du heute Abend an einem mageren Modelbein nagst, ich meine natürlich Hähnchenbein …«
»Mir war nicht so nach mager.«
»Ach?«
»Und du? War sein Geschenk nicht angemessen?« Er orderte ein weiteres Bier und ein zweites Glas Sekt für Katia. »Du kannst Onkel Giovanni ruhig alles erzählen, an Weihnachten gibt’s keine Geheimnisse.« Er lächelte sie an und fügte hinzu: »Außerdem kann deine Geschichte gar nicht so haarsträubend sein wie die von Antonella.«
»Wohl wahr«, pflichtete sie ihm bei und deutete auf die Tanzfläche, wo Adrian gerade versuchte, an Antonella heranzukommen, die aber so tat, als sähe sie ihn nicht, und geschickt wegtanzte. »So ist’s richtig, lass ihn ruhig ein bisschen zappeln!«, murmelte Katia und wandte sich an Giovanni. »Gut, ich werde dir von meinem Abend erzählen, aber nur, wenn du nicht lachst!«
»Ich schwöre!«, grinste er und tätschelte Olga, die sich an ihn geschmiegt
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