Mueller, Carin
für zwei.« Täuschte sie sich oder wirkte Mario etwas nervös? »Tutto bene?«, fragte sie deshalb.
»Si, si, tutto bene!«, beteuerte er und griff sich sein Reservierungsbuch. »Ein Tisch für zwei, va bene. Um wie viel Uhr?«
Antonella bekam diese Frage jedoch schon nicht mehr mit, denn sie hatte den Grund für Marios Nervosität ausgemacht. An ihrem bevorzugten Tisch, in einer kleinen Nische am anderen Ende des Gastraums, saß Adrian. An sich nichts Ungewöhnliches, denn er verbrachte oft seine Mittagspausen hier, doch er war nicht alleine. Ihm gegenüber und offenbar bester Dinge saß Gesa! Und hatte Elisa auf ihrem Schoß! Gesa? Adrian? Elisa? In Antonellas Kopf fuhren die Gedanken Achterbahn. Das ergab doch alles keinen Sinn, oder?
Langsam ging sie in Richtung Tisch, und plötzlich fielen sämtliche Puzzle-Teile an den richtigen Platz. Natürlich: Gesa war Gisela!
Sie hatte das Gefühl, wie von einer Glasglocke eingehüllt zu sein. Nur undeutlich nahm sie wahr, was um sie herum geschah. Den verwunderten Gesichtsausdruck von Adrian, als er sie entdeckte, die triumphierende Miene von Gesa. Und je weniger die Außenwelt an sie herankam, desto klarer wurden ihre Gedanken: Gesa wollte ihre Familie stehlen! Ihren Mann, ihre Tochter und ihr noch ungeborenes Kind. Ihr wurde übel, als sie daran dachte, was Gesa ihr letzte Woche noch erzählt hatte. »Die Frau meines Exmannes interessiert sich kein bisschen für ihre Kinder! Außerdem ist sie psychisch labil und hat daher nicht die geringste Chance auf das Sorgerecht!« Und hinter der ganzen Geschichte steckte vermutlich ihre bösartige Schwiegermutter. Antonella hörte, wie etwas zerbrach – allerdings nicht ihre imaginäre Glasglocke, sondern eine Wasserflasche, die sie wohl versehentlich vom Tisch gestoßen hatte.
»Antonella«, fing Adrian an, »darf ich dir Gisela vorstellen …«
»Ich weiß genau, wer das ist!«, zischte sie kalt und würdigte ihren Mann keines Blickes. »Nehmen Sie sofort die Hände von meinem Kind!«, fauchte sie Gisela an, die immer noch ihr Siegerlächeln im Gesicht hatte und Elisa so fest hielt, dass die Kleine zu weinen anfing und nach ihrer Mama jammerte.
»Was ist denn hier los?« Adrian klang ziemlich irritiert, doch Antonella ignorierte ihn völlig. Stattdessen verdrehte sie in glühendem Zorn und mit mehr Gewalt, als nötig gewesen wäre, eine von Gesas Händen und befreite ihre Tochter. »Ihr Plan wird nicht funktionieren!«, schrie sie. Augenblicke später stand sie zitternd mit Elisa auf dem Arm auf der Straße. Die Kleine weinte immer noch, und Antonella stopfte ihre Taschen in den Buggy und trug ihr schluchzendes Kind nach Hause. Die Gefühle, die sie hatte, waren unbeschreiblich – rasende Wut, unendlicher Hass und alles verzehrende Verzweiflung. Wie hatte Adrian ihr das antun können?
»Wie kannst du mir das antun?«, schrie sie unter Tränen, als er ein paar Minuten nach ihr in die Wohnung kam.
»Was bitte schön tue ich dir denn an?«, fragte Adrian betont ruhig. »Ich wollte dich eigentlich das Gleiche fragen. Was genau sollte diese peinliche Szene im Restaurant? Und warum hast du Gisela fast die Hand gebrochen?« Er wollte Elisa auf den Arm nehmen, die nun völlig außer sich war, doch Antonella ging dazwischen.
»Wenn du sie anfasst, vergesse ich mich!«, brüllte sie, und er zuckte zurück. »Ihr habt bei eurem perfiden Spiel die Rechnung ohne mich gemacht!«
»Was für ein Spiel?«, nun wurde auch Adrian laut. »Würdest du vielleicht die Freundlichkeit haben und mich aufklären, worum es eigentlich geht?«
»Worum es geht? Es geht darum, dass sich deine Exfrau Gisela unter dem Namen Gesa eine Wohnung von mir hat einrichten lassen, in die sie mit dir und den Kindern einziehen will! Das habt ihr euch wohl hübsch ausgedacht, oder? Und hinter alldem steckt bestimmt deine Mutter! Blöd nur, dass ich offensichtlich zu früh dahintergekommen bin, denn noch ist ›Philip‹ ja gar nicht auf der Welt, da wird es wohl schwierig werden, mir das Sorgerecht zu entziehen.« Ihre Stimme überschlug sich komplett, und Adrian verstand die Welt nicht mehr.
»Ich verstehe einfach nicht …« Er lachte auf. »Das ist doch jetzt nichts weiter als ein schlechter Scherz?«
»Ja, ich lache mich auch schon halb tot!«
»Jetzt beruhige dich doch mal.« Er wollte ihr beschwichtigend eine Hand auf die Schulter legen, wurde jedoch unsanft beiseitegestoßen. »Ich weiß ja nicht, was gerade in deinem Kopf vorgeht, aber da musst du
Weitere Kostenlose Bücher